Freiwilligendienste in Deutschland und Polen und ihr Einfluss auf den Wandel von Einstellungen zu Deutschen und Polen sowie bezogen auf den europäischen Gedanken Expert Round Table, 07. Oktober 2013 im Institute of Public Affairs in Warsaw, Polen Der Expert Round Table am 07. Oktober diente der Präsentation und Diskussion erster Forschungsergebnisse des Institute of Public Affairs aus Warschau und des Zentrums für zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze) aus Freiburg. Das Forschungsprojekt wird von der Deutsch- Polnischen Wissenschaftsstiftung und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit finanziert. Die ersten Ergebnisse wurden deutschen und polnischen Fachleuten aus dem Bereich Freiwilligendienste präsentiert. Ziel dabei war eine Diskussion der quantitativen und qualitativen Ergebnisse und der daraus abgeleiteten Thesen. Dabei wurde gleichzeitig der generellen Bedeutung internationaler Freiwilligendienste nachgegangen. Zusammenfassung der Ergebnisse 59 junge Deutsche und Polen, welche einen mindestens sechsmonatigen Freiwilligendienst im jeweiligen Nachbarland leisten oder leisteten, nahmen an der quantitativen Befragung teil. Darüber hinaus wurden neun deutsche und zehn polnische Freiwillige gegen Ende oder nach Beendigung ihres Freiwilligendienstes interviewt, um ihre Erfahrungen mit und während des Freiwilligendienstes, sowie ihre Auffassungen bezüglich des Nachbarlandes und Europa zu erheben. Aufgrund ihrer jeweiligen biografischen Situation unterscheiden sich deutsche und polnische Freiwillige. Zunächst einmal sind die deutschen Freiwilligen aufgrund der Unterschiede in den Bildungssystemen zum Zeitpunkt ihres Auslandsaufenthalts jünger. Während in Deutschland ein Freiwilligendienst meist nach dem Schulabschluss bzw. spezifischer nach Abschluss des Abiturs erfolgt, haben viele polnische Freiwillige bereits einen ersten akademischen Abschluss erlangt, bevor sie einen Freiwilligendienst im Ausland aufnehmen. Dementsprechend ist es für die polnischen Freiwilligen vermehrt ein Anliegen, ihre erlernten Fähigkeiten und ihr Wissen anzuwenden und zu verfestigen, während für die deutschen jungen Erwachsenen ein eigenständiges Leben und Orientierung für die berufliche Zukunft im Mittelpunkt stehen. Obgleich den Teilnehmenden beider Länder die gleichen Fragen gestellt wurden, unterscheiden sich ihre Antworten in vielen Bereichen stark. Das Vorwissen bezüglich des jeweiligen Nachbarlandes divergiert. Aufgrund der (Aus-)Bildung, Medien oder Urlaube haben die polnischen Befragten ein tiefergehendes Wissen bezüglich der deutschen Kultur und Sprache. Nach Deutschland zu gehen wird als gute Wahl erachtet. Im Gegensatz hierzu stellt Polen als Zielland für die meisten Deutschen nicht die erste Wahl dar, da sie zuvor, abgesehen von Personen mit polnische Wurzeln, kaum oder keinen Bezug zu Polen hatten. Insbesondere durch Freunde und Bekannte werden sie mit Vorurteilen und Klischees gegenüber Polen konfrontiert, was jedoch ihr Interesse nicht schmälert. Vielmehr fühlten sich einige gerade aufgrund von Stereotypen und Unwissen motiviert, ihren Freiwilligendienst in Polen zu leisten. Dies versetzte sie in die Rolle eines Botschafters der Deutsch-Polnischen Beziehungen und als Vertreter genereller europäischer Angelegenheiten. finanziert von: Hierin unterscheiden sich die polnischen Freiwilligen. Zwar wollen sie das Ansehen der Polen auf einem Mikrolevel ändern, indem sie ein realistische(re)s Bild der Polen als “normale” Menschen verbreiten, allerdings verstehen sie sich nicht wie die deutschen Freiwilligen als Botschafter. Letztere setzen sich nicht nur für eine positivere oder realistische Bewertung Polens und polnischer Menschen ein, sondern auch für den Abbau solcher dahinterstehender Vorurteile und Stereotype auf polnischer Seite gegenüber Deutschen und Deutschland. Europa wird unterschiedlich beschrieben. Während die polnischen Freiwilligen Europa deutlich von der Europäischen Union (EU) differenzieren, findet sich eine solche Abgrenzung auf deutscher Seite kaum: Europa und die EU werden als eins wahrgenommen bzw. dargestellt. Die deutschen Freiwilligen wuchsen in und mit der EU auf, so dass deren Werte und Möglichkeiten in ihrem Lebenslauf verankert sind. Die polnischen Freiwilligen erlebten hingegen den Beitritt zur EU bewusst mit. Hierin liegen womöglich auch die Unterschiede bei der Benennung gemeinsamer europäischer Werte. Auf deutscher Seite lassen sich Werte wie Demokratie, Freiheit, Gleichberechtigung und Menschenrechte finden, Elemente die eher einer Metaebene zugeordnet werden können. Dahingegen führen die polnischen Freiwilligen eher Stichworte wie Familie, Freunde und Kooperation an. Gemeinsam ist den Befragten beider Länder, dass ihnen Frieden ein wichtiges Anliegen ist. Unabhängig von den verschiedenen Motivationen, Erfahrungen und Ergebnissen des Freiwilligendienstes, beurteilen alle Freiwilligen diese Zeit als sehr wertvoll. Die meisten fühlen sich noch immer mit dem Gastland verbunden, auch wenn die Deutschen eher nicht im dort bleiben wollen oder sich einen dauerhaften Wohnsitz in Polen vorstellen könnten. Freiwillige beider Länder empfehlen den Aufnahmeorganisationen, einen engeren Kontakt mit jungen Menschen vor Ort anzuregen bzw. zu unterstützen, insbesondere in Form von Mentoratsprogrammen, um so neben dem erleichterten Knüpfen von Kontakten auch den kulturellen Austausch auf informeller Ebene zu unterstützen. Die Teilnehmenden des Round Table bestätigten, dass ein Mentorat insbesondere durch ehemalige Freiwillige ausgeübt werden könnte. Allgemein sei darauf zu achten, dass die Person keiner Freiwilligenorganisation angehöre und Tandems in etwa gleichaltrig seien. Auch Vorbereitungs-, Zwischen-und Endseminare wurden in der Diskussion thematisiert. Die Tatsache, dass zwar jede Organisation zu diesen verpflichtet ist, es jedoch keine Standards gibt, wurde diskutiert. Die fremdsprachliche Vorbereitung erscheint hier als Aspekt, bei welchem die Freiwilligen mehr Bedarf, die Organisationen jedoch zum Teil Finanzierungsschwierigkeiten haben. Hinsichtlich der (sich unterscheidenden) Motivation der Freiwilligen wurde bestätigt, dass nach Erfahrungen der Anwesenden das Alter bedeutsam ist. Hinzu komme, dass in Deutschland das Sammeln von Auslandserfahrung einerseits nach der Schule sehr viel selbstverständlicher sei als in finanziert von: Polen und andererseits Programme wie der (Europäische) Freiwilligendienst bekannter seien. Eine Anwesende hebt hervor, dass für sie die Offenheit des Europäischen Freiwilligendienstes ein wesentliches Merkmal darstelle. Flexibel auf die Individualität und individuellen Wünsche der Freiwilligen einzugehen, sei für sie Teil des Programms, mit denen es adäquat umzugehen gelte. Das Befassen mit europäischen Themen sei im Zuge dessen nicht zwangsläufig durch die Organisationen anzuregen, sondern könne, so die Vertreterin einer Entsendeorganisation, auch im unmittelbaren Austausch der Freiwilligen unterschiedlicher Nationalitäten vonstattengehen. Die Teilnehmenden stimmten zudem überein, dass der Freiwilligendienst stärker im europäischen Kontext betrachtet werden sollte. Kontakt: Sabine Kakuie (Projektmanagerin) kakuie@zze-freiburg.de +49 (0)761 47812-843 Silke Marzluff (Projektleiterin) marzluff@zze-freiburg.de +49 (0)761 47812-431 http://www.zze-freiburg.de finanziert von: