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Die Revolution der Evolution – ein Bericht von Mateusz Tofilski

Dezember 1831. An Bord der HMS „Beagle“ geht ein junger, selbstbewusster Gentleman mit rundem Gesicht und durchdringendem Blick. Dieses Bild von Charles Darwin, statt eines alten Weisen mit grauem Bart, schlug Dr. Szymon Drobniak, Evolutionsbiologe an der Jagiellonen-Universität, bei dem Festival Big Book vor, das vom 23.-25. Juni in Warschau stattfand.

Buch-Festivals verbindet man eher mit Belletristik und weniger mit Wissenschaftsliteratur. Zieht man jedoch die gesellschaftliche Wirkungskraft einzelner Werke in Betracht, sieht man, dass nicht viele schriftstellerische Positionen in der Geschichte dem berühmten Buch „Über die Entstehung der Arten“ das Wasser reichen können. Es genügt, die bekannte Aussage von Theodosius Dobzhansky „Nichts in der Biologie macht Sinn außer im Licht der Evolution!“ heranzuziehen. Szymon Drobniak behauptet in seinem Vortrag „Das Buch, das die Welt verändert hat: Über die Entstehung der Arten“ jedoch, dass seit 1859, sprich seit der Veröffentlichung des Buches, sich die Biologen auf der ganzen Welt ausschließlich damit befassen, die Theorie, die dieses Buch enthält, zu widerlegen. Darwins Buch hat unser Denken über die Welt verändert, und indirekt vielleicht sogar die Welt selbst.

Blutphobie und eine Meeresreise

Darwin soll sich während seines Medizinstudiums, beim Ausstopfen von Tieren, für die Naturwissenschaften zu interessieren begonnen haben. Mit der Zeit entwickelte sich dieses Interesse zu einer wahren Leidenschaft. Doch Charles Darwin wollte nicht schon immer Naturforscher werden. Zuerst bereitete er sich gemäß der Familientradition auf eine Karriere als Arzt vor, wobei ihm allerdings seine Blutphobie einen Strich durch die Rechnung machte. Vor der von seinem Vater geplanten Alternative als Geistlicher bewahrten ihn das Meer und eine Einladung von Kapitän Robert Fitz-Roy auf die bereits erwähnte „Beagle“. Unter Fürsprache seines Onkels, mit dessen Hilfe es gelang, den dieser Idee gegenüber skeptischen Vater zu überzeugen, ging Darwin auf eine Schiffsreise als „Naturalist“. Die fünfjährige Reise ermöglichte es ihm, an exotische, oft vom Menschen unbewohnte Orte zu gelangen, an denen er den sonderbarsten Tierarten begegnete, die er genauestens beschrieb. Als er nach London zurückkehrte, genoss er bereits den Ruhm eines anerkannten Biologen und hatte eine revolutionäre Theorie im Kopf, die jedoch nicht zu dem damaligen Weltbild passte.

Bei der Erschaffung der Welt wurden alle lebendigen Wesen in ihrer endgültigen, und heute bekannten Form erschaffen und in ein hierarisches, unveränderliches System gegliedert. Ihre Vielfalt soll vor allem dem Wohl des Menschen dienen. So lässt sich laut Drobniak in Kürze und stark vereinfacht die Vision von der Natur charakterisieren, die zu Darwins Zeiten herrschte. Obwohl hierbei natürlich nicht vergessen werden darf, dass bereits damals Evolutionskonzepte entstanden, vor allem die Theorie von Jean Baptist de Lamarck. Auf der Grundlage seiner Reiseerfahrungen behauptete Charles Darwin, es sei in Wirklichkeit vollkommen anders, denn die natürliche Auswahl führe zu Richtungsänderungen in der Entwicklung von Organismen und verstärke dadurch deren Anpassung an ihre Umwelt. Darwin wusste dabei jedoch nicht – weil er die Arbeiten von Gregor Mendel nicht kennen konnte –, wie es zur Vererbung bestimmter Eigenschaften kommt. Er war sich hingegen durchaus über das Revolutionäre seines Konzepts im Klaren, wovon die Tatsache zeugt, dass er sich zwanzig Jahre lang damit zurückhielt, es zu veröffentlichen. Der Impuls, der ihn schließlich handeln ließ, war ein Brief eines anderen Naturforschers, Alfred Wallace, in dem dieser ähnliche Vermutungen verlauten ließ. Kurz darauf erschien zunächst ihre gemeinsame Publikation, später dann die eigenständige Publikation Darwins.

Eine wissenschaftliche Revolution und nicht nur das

Die Evolutionstheorie erwies sich als enormer explanierender Wert, die die Beschreibung und die Erklärung vieler biologischer Prozesse ermöglichte. Drobniak sagte, die Evolution sei die Grundlage von praktisch allem, was Biologiestudenten heutzutage lernen. Obwohl das heute natürlich nicht mehr strikt Darwins Konzept, sondern ein modernes Konglomerat einer Theorie unter dem Zeichen der sogenannten „modernen Synthese“ sei. Hinsichtlich ihres Einflusses auf die Wissenschaftswelt lässt sich Darwins Theorie wohl nur mit der Relativitätstheorie von Albert Einstein vergleichen. Doch im Gegensatz zu der Idee des berühmten Physikers, warf die Evolutionstheorie wesentlich mehr Diskussionen auf und tut es noch immer.

Die Kontroversen hängen in erster Linie mit der Degradierung der Stellung des Menschen in der Welt und zweitens mit dem Verhältnis des Darwinismus zur Religion zusammen (Darwin nannte seine Theorie nie antitheistisch, sondern bezeichnete sie eher als im Einklang mit dem theistischen Naturalismus). Dieses Thema ist gegenwärtig vor allem sichtbar im Streit zwischen Anhängern des Evolutionismus und den Kreationisten, sprich den Anhängern der Idee des „Intelligent Design“. Schließlich ist da noch die Frage der Verfälschung des tatsächlichen Inhaltes der Theorie und ihrer Ausnutzung für soziale und politische Zwecke. Leider ist Darwins Konzept in dieser Hinsicht ungewöhnlich reizvoll, wofür als abschreckendes Beispiel mit Sicherheit die Idee der Eugenethik steht. Beispiele falscher Praktiken heben jedoch nicht automatisch die Richtigkeit einer Theorie auf, und Darwins Werk bleibt, obwohl es schwer zu lesen ist, eines der wichtigsten Bücher in der Geschichte.

Mateusz Tofilski