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Von der Konfrontation zur Gemeinschaft | Adam Krzemiński

20 Jahre nach dem deutsch-polnischen Vertrag legen Berlin und Warschau nicht nur eine Bilanz des Erreichten und Versäumten in den gegenseitigen Beziehungen vor, sondern auch eine Liste konkreter Vorhaben.

Fast das ganze 20. Jahrhundert hindurch gehörte die deutsch-polnische Nachbarschaft zu den schwierigsten in Europa. Ihre dramatischen Stationen waren die Grenzkämpfe nach 1918, die deutsche Aggression am 1. September 1939 und die barbarische Okkupation Polens. Und nach der Niederlage des Dritten Reichs dann die Aussiedlung der Deutschen aus den Gebieten, die Polen von den Siegermächten zugesprochen worden waren.

Durch den Kalten Krieg verfestigten sich die Vorurteile. Europa war geteilt. Die DDR, das „rote Preußen“, wurde als Wächter des stalinistischen Dogmatismus empfunden. Die Bundesrepublik verweigerte die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Und die Machthaber Volkspolens schürten gerne die Ängste vor dem deutschen Revisionismus.

Doch gerade der deutsch-polnische Annäherungsprozess wurde zu einer der wesentlichen Ursachen für die Erosion der sowjetischen Hegemonie in Osteuropa. Seine Marksteine waren: der Brief der polnischen Bischöfe 1965, Willy Brandts Kniefall in Warschau 1970 und die Solidarität von Hunderttausenden Deutschen mit den Polen im Kriegszustand. Ohne Gorbatschows Verdienste zu schmälern – es war der Runde Tisch im Frühjahr 1989, der den Deutschen in der DDR zeigte, dass ein unblutiger Systemwechsel möglich ist.

Trotz der von Umfragen bestätigten chronischen Ängste vor Deutschland vertrauten die Polen den Solidarność-Politikern, die damals nicht versuchten, Europa mit dem „teutonischen Wahn“ zu schrecken. Polen hätte die Vereinigung Deutschlands 1990 nicht verhindern, sie aber – wie London und Paris – bremsen und auf einen Wechsel Machtkonstellation im Kreml setzen können. Das hätte unsere Nachbarschaft erneut auf Jahre hinaus vergiftet. Man versuchte nichts dergleichen.

Wertegemeinschaft

Der am 17. Juni 1991 von Ministerpräsident Jan Krzysztof Bielecki und Bundeskanzler Helmut Kohl unterzeichnete Vertrag kopierte viele bilaterale Lösungen, die sich seit 1963 in den deutsch-französischen Beziehungen bewährt hatten. Er führte die regelmäßigen Regierungskonsultationen ein. Er förderte Partnerschaften von Städten und Gemeinden sowie die wirtschaftliche, wissenschaftliche, kulturelle, regionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Er öffnete [mit dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk, Anm. d. Red.] dem Jugendaustausch auf breiter Ebene die Tür. Er bestätigte die bereits 1974 gegründete gemeinsame Schulbuchkommission. Und er wandelte einen Teil der polnischen Schulden aus der Zeit der Volksrepublik in Kapital für die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit um.

Gleichzeitig enthielt er Klauseln, die sich aus der Spezifik der deutsch-polnischen Geschichte ergaben. Er definierte den Status der deutschen Minderheit in Polen und der in Deutschland lebenden Polen. Er verpflichtete dazu, den Unterricht der Sprache und der Kultur des Nachbarn zu fördern. Vage bezog er sich auf geschichtliche Ereignisse … Und wies auf das strategische Ziel der Nachbarschaft und der Zusammenarbeit hin: Polen an Westeuropa heranzuführen. Die EU wurde schon erwähnt, die NATO noch nicht.

Adam Krzemiński

:: Lesen Sie den ganzen Text in der Rubrik "Polityka auf Deutsch"