delit.live 18. Dezember 2012 – Ein Bericht von Marcin Radomski
In dem Warschauer Café MiTo art.café.books sprachen bekannte Kritiker, Journalisten und Übersetzer am 18. Dezember 2012 über ausgewählte Titel aus einem subjektiven Führer durch die deutschsprachige Literatur „Delit". Die Diskussion wurde von dem Journalisten und Dichter Marcin Sendecki geleitet.
Malwina Wapińska erinnerte an Hans Fallada, einen der bekanntesten deutschen Literaten des 20. Jahrhunderts. „Er war ein außerordentlich charismatischer und markanter Schriftsteller, gleichzeitig war er wahnsinnig und Alkoholiker. Wir kennen viele Bücher, die aus dem Gesichtspunkt eines Zynikers geschrieben sind“, sagte die Journalistin und wies darauf hin, dass in diesem Jahr auf dem polnischen Markt der Roman „Der Trinker" erschienen ist, den Fallada auf Papierfetzen niedergeschrieben hatte, als er für den Versuch, seine geschiedene Frau umzubringen, im Gefängnis gesessen hatte.
Über einen der derzeit bekanntesten Autoren von Kriminalromanen in Deutschland sprach Mariusz Czubaj. „Friedrich Ani ist Autor von insgesamt 14 Romanen über den Münchener Kommissar Tabor Süden. Der erste Teil eines neuen Zyklus’ unter dem Titel 'Totsein verjährt nicht' ist 2011 auf Polnisch erschienen. Dieses Mal ist der Hauptprotagonist der ehemalige Benediktiner und Inspektor der Münchener Mordkommission, Polonius Fischer“, erzählte der Literaturwissenschaftler und Krimiautor. „Ich beneide die Deutschen darum, dass sie versuchen, sich in Kriminalromanen mit der Geschichte auseinanderzusetzen, wie beispielsweise Wolfgang Schorlau in 'Das dunkle Schweigen'“, so Czubaj.
Łukasz Drewniak hingegen wies auf den Zusammenhang zwischen der österreichischen Literatur und dem Theater hin, darunter auch dem polnischen. „Das Schaffen von Bernhard war viele Jahre lang ein Phänomen im Repertoire des Theaters von Krystian Lupa. Von den jungen Regisseuren haben Augustynowicz, Brzoza, Wiśniewski, Miśkiewicz, Chotkowski mit Texten von Jelinek, Bernhard und Schwab gearbeitet.“
„Sie haben Keller, wir haben Scheunen“, fasste Łukasz Drewniak die Diskussion zusammen. „Jedes Volk, ob polnisch, deutsch oder österreichisch, hat seine eigenen Devianzen, die es verbergen will. Es ist grundlegend, dass die Literatur und die Kunst versuchen, diese Gebrechen zu enthüllen.“
Marcin Radomski
Der subjektive Führer durch die deutschsprachige Literatur „Delit" wird von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit als Beilage zum Popkulturmagazin „Aktivist" herausgegeben.