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Porträt eines Schauspielers – ein Bericht von Barbara Hortyńska

Die deutsch-polnische Podiumsdiskussion unter dem Titel „Porträt eines Schauspielers” wurde am 19. April im Kleinen Theater in Stettin im Rahmen des Projekts „Theaterbrücken – Kulturbrücken. Über den gegenseitigen Einfluss des polnischen und deutschen Theaters“ organisiert. Das Projekt wurde von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit unterstützt.

Die Podiumsdiskussionen haben schon eine jahrelange Tradition im Programm des Festivals „Kontrapunkt – Übersicht von Theatern der kleinen Form”.  In diesem Rahmen wird der Versuch unternommen über wichtige Aspekte des zeitgenössischen Theaters zu diskutieren.

– Die Diskussionen begleiten das Festival Kontrapunkt schon seit zwölf Jahren – sagt Robert Cieślak, Professor an der Universität Warschau, Literaturwissenschaftler, Kulturwissenschaftler und Journalist. – Dieses Jahr mit dem Thema „Theaterbrücken – Kulturbrücken“.

– Wenn wir eine Krise hätten, würden wir uns in einer Situation, ähnlich einem Herzinfarkt befinden, dann muss man Brücken bauen, und diese Brücken sind Bypässe. Ich definiere die Krise so: Wir hatten einen Herzinfarkt, also ist es Zeit für Brücken. Diese Metapher betrifft die Schauspielerei im Theater – so erklärt der Professor den Sinn der Metapher dieses Titels.

Die Zuschauer konnten erstrangigen Spezialisten zuhören, unter welchen sich unter anderem folgende Personen befanden: Beata Guczalska (Doktor der Humanwissenschaften, Dekanin der Fakultät für Regie und Drama der Öffentlichen Ludwik-Solski-Theaterhochschule in Krakau, Theaterkritikerin),Thomas Irmer (Doktor der Humanwissenschaften, Theaterkritiker, Dozent, Dokumentarfilmautor), Dorota Jarząbek-Wasyl (Doktor der Humanwissenschaften, Dozentin an der Jagiellonen Universität, Theaterkritikerin) und Friederike Felbeck (Theaterkritikerin, Theaterwissenschaftlerin, Regisseurin, Schriftstellerin). Für die inhaltliche Leitung der Podiumsdiskussion war Anna Róża Burzyńska verantwortlich (Doktor der Humanwissenschaften, Dozentin an der Jagiellonen Universität, Spezialistin im Bereich polnisches und deutsches Drama).

Beata Guczalska analysierte die Veränderungen, die in der Arbeitstechnik eines Theaterschauspielers über die Jahre hinweg festzustellen sind. Am Beispiel des Schauspiels von Tadeusz Łomnicki stellte sie Änderungen in der Technik und den Mitteln des Schauspiels heraus. Tadeusz Łomnicki habe verschiedene Theatermittel und –stile verwendet. Er habe zwar nicht die physischen Voraussetzungen, habe auf der Bühne aber alles getan, um seine Körperlichkeit und Individualität verschwimmen zu lassen.

Thomas Irmer sagte, dass über den Zeitraum von 50 Jahren polnischen Theaters der Schauspieler immer perfekt zur Arbeit vorbereitet gewesen sei. Nicht das Schauspiel sei das schwächste Element polnischen Theaters. Der Schauspieler schlüpfe in seine Rolle und werde im Kontext eines eventuellen Problems wahrgenommen. Das Problem sei das, was um ihn herum geschieht.

– Ich denke dabei an die ökonomischen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen, auf die der Schauspieler keinen Einfluss hat – sagt Thomas Irmer.

Friederike Felbeck stellte fest, dass in Deutschland die Generation von Schauspielern im fortgeschrittenen Alter aussterbe.

– Das ganze Wissen und die ganze Tradition, die mit ihnen verbunden sind, gehen mit ihnen verloren – sagt Friederike Felbeck. – Ich frage mich, woher das Interesse an betagten Schauspielern auf der polnischen Bühne kommt, bei uns gibt es das nicht.

Dorota Jarząbek-Wasyl sprach einen kurzen Ausschnitt aus „Wyzwolenia- die Befreiung” von Stanisław Wyspiański an, der einen gewissen Schauspieltyp, der aus der Geschichte des polnischen Theaters bekannt ist, sehr gut beschreibt: „Die Rolle ernährt mich nicht. Sie sorgen nicht für mich und über mir sind sie krumm. Ich kümmere mich nicht. – Ich habe schon abgeschlossen. Ich warte auf nichts mehr. Ich habe mich an diese Bretter gewöhnt. Ich kann weg. – Ich schiebe es auf. Ich jagte einst nach Ruhm, ich spielte Hamlet. Heute gibt es neue Hamlets. – Das Haus. – Die Kinder. – Die Frau. – Der Ruhm der Künstler!” Zu diesem Ausschnitt entstanden mehrere Interpretationen. Eine von ihnen ist die existenzialistische Interpretation, das heißt die des alternden Menschen, der das Schwinden seiner Lebenskräfte spürt. Die zweite betrifft den Künstler, dem keine Rollen angeboten werden.

Welche Gefühle rufen bejahrte Schauspieler bei den Zuschauern hervor? – Das Publikum empfindet sie als authentisch - sagt Jarząbek-Wasyl. – Sie können unbeweglich auf der Bühne stehen und trotzdem bewegen. Durch ihre Erfahrung enthüllen sie Privates – fügt sie hinzu.

Dorota Jarząbek-Wasyl würde sie gerne mit einer Rolle betrauen, die ihrer menschlichen Verfassung und ihrer großartigen Technik entspricht. Diese Schauspieler seien in der Lage alles zu spielen. Sie seien gut ausgebildet und hätten Potenzial.

Die beste Zusammenfassung der Podiumsdiskussion unter dem Titel „Porträt eines Schauspielers“ ist die Feststellung, dass betagte Schauspieler Jugendlichkeit in sich tragen. Sie können und wollen arbeiten, und die Regisseure profitieren von ihrem Vitalismus. Dank ihrer Fähigkeiten und Technik spricht Theater das Publikum an.

Autorin: Barbara Hortyńska
Übersetzung aus dem Polnischen: I. Feld