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Die Stadt ist der Ursprung – ein Bericht von Alicja Hubala

Berlin hat die Friedrichstraße, Warschau die Nowy Świat und Breslau die Świdnicka. Ihre Wichtigkeit verdanken sie unseren Träumen.

Niederschlesische Unternehmer haben den Glauben an den Traum von der Reanimation der Breslauer Handelsikone wiederbelebt: am 10. April fanden Workshops im Rahmen des Projekts „Öffentlicher Raum – polnische und deutsche Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Aufbau einer Marke für eine Geschäftsstraße in Breslau und Berlin“ statt.

Das Treffen war ein Versuch, einen Dialog zwischen dem Amt für Wirtschaftsentwicklung der Stadtverwaltung und den Unternehmern, die ein Geschäft an der Świdnicka führen, anzuknüpfen. Die Świdnicka ist eine der teuersten Einkaufsstraßen in Niederschlesien. Über die breite Straße, die den Marktplatz mit dem Süden der Stadt verbindet, und den Altstadtpark soll von Experten, die mit dem Verein 'Nowy Świat' in Warschau und mit der Interessengemeinschaft Friedrichstraße e.V. in Berlin verbunden sind, eine komplexe Beurteilung vorgenommen werden.

Die Hauptstraße der alten Berliner Neustadt vs. die Realia in Breslau

„Die Gestaltung des Images der Marke Friedrichstraße erfordert einen langen Verständigungsprozess mit den Behörden auf Landes- und Bezirksebene“, sagt Dr. Mateusz Hartwich, Direktor der Berliner Organisation, die die Unternehmer vereinigt. „Wir haben Stadt und Land in einem, und auch noch starke Bezirksämter. Es wäre schön, wenn unsere Stadtverwaltung so aktiv am Dialog und der Initiierung von Projekten beteiligt wäre wie die Stadtverwaltung von Breslau. Ich habe mich schon davon überzeugen können, dass in dem Projekt so viel Kraft wie Herzblut steckt“, fügte er hinzu.

Die entsprechende Dosis Motivation wurde von konkreten Beispielen für Werbung für die Friedrichstraße gefördert: Verkaufsoffene Sonntage, Modenschauen in der Galeries Lafayette, italienische Woche, und das sind nur wenige. Wie Hartwich sagt, werden die thematischen Treffen von regelmäßigen Mitgliedstreffen der Interessengemeinschaft unterstützt. Die Organisation, die für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt und des Bezirks Stadtmitte tätig ist, vereinigt fast hundert Mitglieder und außerdem noch einzelne Kulturinstitutionen. In der unmittelbaren Umgebung der Straße befindet sich auch der Großteil der Ministerien. Bei jedem in Angriff genommenen Projekt tauchen viele organisatorische Probleme auf. „Das ist ein verschwindend geringes Minus im Vergleich zu dem, was man gewinnen kann“, sagt der Direktor der Organisation. Ein wesentlicher Faktor ist das Anknüpfen einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den benachbarten Firmen, beginnend beim Einzelhandel über Hotelgewerbe, Gastronomie, Immobilien, bis hin zur großen Vielfalt des Dienstleistungssektors. Auf der Friedrichstraße ist die Präsenz der wichtigsten Marktteilnehmer unentbehrlich – von Volkswagen bis hin zur Galeries Lafayette. Sie sind es, die für uns die wertvolle Kundschaft anlocken“, sagt Hartwich.

Obwohl es scheint, dass die Zugehörigkeit zur Interessengemeinschaft nur Vorteile bringt, ist sie nicht verpflichtend. „Die Tätigkeit der Gesellschaft ist die Antwort auf den konkreten Bedarf der Unternehmer. Doch auch die groß angelegte Öffentlichkeitsarbeit der Stadt gibt keine Garantie auf Umsatzsteigerung“, betont Hartwich.

Organisation: ein notwendiges Gut

„Auf der jetzigen Etappe zwischen Konkurrenzkampf und Suche nach Kundschaft ist eine gute Organisation absolut notwendig. Unsere Grundlage ist das gemeinsame Ziel, das wir mithilfe eines Handlungsplans erreichen wollen“, bestätigt Witold Fizyta, Gründer und Vorstandsmitglied des Warschauer Vereins 'Nowy Świat'. Auf den Mangel an Assoziationen, die die Ziele der Breslauer Unternehmer repräsentieren, stützte er seinen Vortrag Selbstverwaltungshandlungskonzeption des Projekts 'Nowy Świat'. Die Rolle des Vereins in der Entwicklung und Propagierung von Initiativen, Einstellungen und Tätigkeiten, die die Entwicklung der Straße begünstigen. „Breslau ist die einzige Stadt der Welt, wo die Stadt sich bemüht, die Gemeinschaft zu aktivieren“, mit diesen Worten lobte er die unterstützende Aktivität der Stadtverwaltung Breslau. „Hier ist die Stadt der Ursprung...“.

„Die Einkaufsstraße muss ein einzigartiges Markenzeichen besitzen“, macht Fizyta deutlich, und betont die Rolle des Vereins in der Entwicklung und Propagierung der Initiativen, Einstellungen und Tätigkeiten, die die Entwicklung der Straße begünstigen. Auf dem offiziellen Beispiel des Vereins 'Nowy Świat' war der Weg der teuersten Einkaufsstraße in Polen, eben des Nowy Świat, zu ihrem gegenwärtigen Image dargestellt (laut eines von der Bratungsfirma Cushman & Wakefield erstellten Berichts steht die Straße auf den 45. Platz weltweit hinsichtlich des Mietsatzes – der Preis für den Quadratmeter beträgt 996 Euro pro Jahr). Es war die Rede von der Geschichte des Königswegs, von Strukturbarrieren und Mitteln, mit denen Kundschaft angelockt werden kann. Letztere waren die größte Inspiration. Es hat sich herausgestellt, dass die goldene Mitte ein unkonventionelles und für die Bewohner zugleich freundlichen Image der Stadt ist. Einzelheiten in der Gestaltung der Weihnachtsbeleuchtung oder die Schlacht um die Idee, die Straßen an allen Sommerwochenenden für den Verkehr zu sperren, was als Ausreißen der Aorta aus dem Organismus der Stadt empfunden wurde, das alles gehörte zum langen Prozess, eine Zusammenarbeit mit dem Stadtverwaltung von Warschau aufzubauen.

Die Świdnicka braucht Anker

Davon, wie man das Image einer Polish High Street effektiv kreieren kann, erzählte Katarzyna Urbaszek, Expertin und Verhandlungspartnerin in der Abteilung Flächenmanagement der Firma CBRE Sp. Z o.o. Sie bezog sich auf die Analyse des Berichts von Mary Portas, der britischen Queen of Shops, einer Immobilienmarktspezialistin, und versuchte eine Antwort auf die Frage zu finden: Wie kann man eine auf Polen zugeschnittene Idee für die Entwicklung einer Einkaufsstraße finden? „Man braucht 'Anker', Firmen mit hohem Umsatz, die mit ihrer Marke Kundschaft anlocken, und damit anderen Firmen ein Klima schaffen, in dem sie leben können“, sagt Urbaszek. Nummer eins auf der Liste von Geschäften in Warschau ist die bekannte Marke Orsay, die ihr Image als 'professionelle Bekleidungsmarke mit über dreißigjähriger Markterfahrung' pflegt. Breslau fängt erst an, diese Liste zu erstellen.

Ein internationaler Einkaufstag, Ermäßigungen für einzelne Mieter, eine Liste von elitären Kunden oder die Manipulation der Ladenvitrinen durch Beleuchtung sind, laut Urbaszek, Notwendigkeiten, die die Breslauer Kundschaft anziehen sollen. „Dieses Ziel zu erreichen ist die Hälfte des Erfolgs, der dann ganz da ist, wenn die Kunden auch bleiben“, sagt sie. „Wichtig ist, eine konkrete Strategie zu erarbeiten, um das Image der Świdnicka aufzubauen, auch, damit sie nicht wieder verschwindet und das in der Stadt geschaffene Klima bestehen bleibt. Weil die Polen in Bezug auf den Einkaufskomfort etwas fordernder sind, muss man danach streben, das Einkaufserlebnis mit gesellschaftlichem Erlebnis zu verbinden. Damit werden wir und die Konkurrenz, die Einkaufsgalerien, gewinnen“, sagt Urbaszek.

„Berlin hat die Friedrichstraße, Warschau die Nowy Świat und Wrocław die Świdnicka. Ihre Wichtigkeit verdanken sie unseren Träumen“, die Worte, mit denen Witold Fizyta in den Workshopteil einführte, sind mir besonders im Gedächtnis geblieben. In Gegensatz zu den Auftritten der Experten im inhaltlichen Teil verlief der zweite Teil des Treffen wie ein Brainstorming der Unternehmer auf der Suche nach kreativen Möglichkeiten, die Świdnicka zu beleben. Anhand von individuellen Erfahrungen, Visionen und Träumen wurde gemeinsam nachgedacht, welches Werkzeug sich für die Herstellung eines Images als am meisten sinnvoll erweisen könnte. Beschlossen wurde: „Das Klientel, das die Świdnicka besuchen wird, ist die Elite!“ Und um dieses Ziel zu erreichen, wird man jeden Trumpf der Stadt ausnutzen: man kann nicht darüber klagen, dass es zu wenige besitzt. Wir haben hier eine Ansammlung von architektonischen Perlen in den verschiedensten Stilen: von der klassizistischen Oper zum Handelshaus Wertheimer, dem Denkmal der anonymen Fußgänger und der Orangenen Alternative bis hin zum ultramodernen Stil des Theaters Capitol, der sich mit dem architektonischen Sozrealismus des Kościuszko-Wohnviertels vermischt, und viele, viele andere. Die Unternehmer planen schon, auch einen Dialog mit Kulturinstitutionen anzuknüpfen. Das Verbinden von Handel, Kultur und Design könnte ein Synonym für die Wiedergeburt der Świdnicka werden.

Alicja Hubala, aus dem Polnischen von Marlena Breuer