Journalisten angesichts der gesellschaftlichen Diversität – ein Bericht von Anna Stańczak
Die Ereignisse vom 11. November 2013 riefen nicht nur Interesse an extremen Gruppierungen hervor, sondern auch an den Medien und ihrer Rolle im heutigen Polen.
Auf welche Art ist über gesellschaftliche Minderheiten zu berichten? Wie kann man im Kontext der gesellschaftlichen Diversität eine objektive Übermittlung schaffen? Mit diesen Problemen mussten es die Teilnehmer der Debatte „Die Ethik der Medien und gesellschaftliche Diversität“ aufnehmen.
Am 5. Dezember 2013 fand im Gebäude der Neuphilologie der Universität Warschau eine Debatte über Rolle der Medien und Journalisten gegenüber der gesellschaftlichen Diversität statt, organisiert von der Fundacja na rzecz Różnorodności Społecznej (Stiftung für gesellschaftliche Diversität). An der Podiumsdiskussion nahmen teil Piotr Pacewicz von der Gazeta Wyborcza, Dr. Ludwika Włodek vom Studium Europy Wschodniej und Roman Kurkiewicz, die Diskussion leitete Jan Świerszcz, Psychologe und LGBT-Aktivist.
Die Debatte wurde in Verbindung mit dem Appell geführt, den die Fundacja na rzecz Różnorodności Społecznej an die Medien gerichtet hatte – Nach dem 11. November: ihr seid für Polen verantwortlich. Es unterschrieben 53 Nichtregierungsorganisationen und forderten die Medien auf zum offenen Dialog, einer reifen Kritik und dazu, die Stimmen voller Vorurteil und Hass aus dem öffentlichen Raum zu entfernen.
In den ersten Minuten der Diskussion versuchte man auf die Frage zu antworten: Wie kann man Raum zum Dialog schaffen? Wie die strittigen Themen präsentieren? Piotr Pacewicz stellte bezüglich dieser Frage eine pessimistische Diagnose, indem er sagte, dass die traditionellen Medien ihre alte Wirkungskraft verloren haben. Die Leserschaft sei drastisch gesunken und ein Artikel zum entsprechenden Thema erledige die Sache nicht mehr. Dr. Ludwika Włodek machte darauf aufmerksam, dass heutzutage Facebook das beste Diskussionsmedium sei, es erlaube, das eigene Milieu zu verlassen.
Die Debatte betraf auch die Rolle und die Präsenz der öffentlichen Medien. Nach Meinung von Roman Kurkiewicz ist ihre Nichtexistenz in Polen das Problem, was damit zusammenhänge, dass sie um Geld kämpfen müssen, und über das Programm die Einschaltquote entscheide. Der Appell sei also vor allem an die privaten Medien gerichtet. Kurkiewicz betonte, er sei utopisch.
Eine heiße Diskussion zwischen den Teilnehmern der Podiumsdiskussion und dem Publikum entstand, als es darum ging, ob man die Personen, die extreme Ansichten vertreten, zu Wort kommen lassen sollte. „Vor nicht allzu langer Zeit gab es keine Programme, die den Zuschauern eine 'Seance des Hasses' servierten. Solche Gesprächspartner in die Medien einzuladen legitimiert den Hass und stellt sie in den Mittelpunkt“, sagte eine der Personen, die das Wort ergriffen. Piotr Pacewicz opponierte, indem er betonte, dass man über diese Personen schreiben und ihre Ansichten vorstellen müsse. Um sie kennenzulernen, müsse man ein treues Porträt von ihnen wiedergeben.
Am Ende kam die Diskussion auf die Ereignissen am 11. November 2013 zu sprechen. Und in dieser Hinsicht waren die Meinungen stark geteilt. Roman Kurkiewicz behauptete, das die Rowdys nicht nur junge Männer seien, Hooligans und Wandalen, wie es die Medien darstellen. Er schlug vor, dass man in Bezug auf das Problem der extremen Gruppierungen erst einmal mit der eigenen Wandlung beginnen müsse, die auch Einfluss auf die Gesellschaft habe. Hier kam eine schnelle Antwort vom Publikum. „Sich verantwortlich zu fühlen ist die schwierigste Sache der Welt“.
Ludwika Włodek hob hervor, dass man über sie schreiben müsse, weil sich hinter diesen Phänomenen wirkliche gesellschaftliche Probleme verbergen. „Extreme Standpunkte sollte man nicht publizieren, und eine Einladung dieser Personen ist Werbung für sie. Sie zeigt auch unsere Zustimmung gegenüber ihrem Verhalten und ihren Ansichten“, protestierten Personen aus dem Publikum.
Am Schluss fiel die Frage nach der Ethik des Journalismus. Der Diskussionsleiter fragte, wie man die jungen Journalisten ausbilden könne, damit sie ethisch über die Diversität berichten? Das Wort ergriff Piotr Pacewicz, der behauptete, dass der Appell nur den Kontext berücksichtige, der ja verschwinde, die Medien können ihre Mission nicht mehr ausführen. Das bedeute jedoch nicht, dass man sie die Adepten des Journalismus nicht lehren sollte.
„Es gibt nicht mehr nur eine Welt und einen Film in den Nachrichten. Jeder hat das, was er mag“, behauptete Ludwika Włodek.
Die Notwendigkeit, über die vielfältige Realität, über alle ihre gleichberechtigten Komponenten zu sprechen, ist heute Priorität geworden. Das zeigen nicht nur die Ereignisse vom 11. November, sondern auch die geführte Debatte. Doch eine Aufgabe des Journalismus ist, die Realität umfassend darzustellen.
Inhaltliche
Partner der Diskussion waren die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
und die Heinrich-Böll-Stiftung Warschau, die organisatorische Partner: Zakochaj
się w Warszawie Różnorodnej, die Feminoteka und Queer UW. Das Ehrenpatronat
über die Debatte übernahm der zuständige Regierungsbeauftragte für
Gleichbehandlung.
Anna
Stańczak, aus dem Polnischen von Marlena Breuer