Deutschland und Polen – eine Partnerschaft auf Augenhöhe - Bericht von Sylwia Ławrynowicz
„Von allen ostdeutschen Bundesländern trug Sachsen im Zuge der Systemtransformation die größten wirtschaftlichen Erfolge davon. Einen ähnlichen Weg schlägt Polen derzeit ein“ – mit diesen Worten eröffnete Cornelius Ochmann, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der SdpZ, ein Treffen unter dem Motto „Erwachsene Revolution – wie Deutschland und Polen die Zukunft Europas gestalten“. Teilnehmer waren der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich und der Chefredakteur der Tageszeitung „Rzeczpospolita”, Bogusław Chrabota. Hauptthemen der Diskussion waren Fremdenfeindlichkeit, der Ukraine-Konflikt und die Rolle Deutschlands und Polens in der Europäischen Union.
Stanislaw Tillich begann seine Rede mit einer Erinnerung an den diesjährigen, 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung, ein Ereignis, das eine Folge der friedlichen Revolution in den mittel- und osteuropäischen Ländern war. Der Politiker verwies auf den enormen Beitrag Johannes’ Paul II und der polnischen Gewerkschaften, die zur Entstehung einer Opposition und zu den Beratungen am Runden Tisch geführt haben. „Die Sachsen sind den Polen sehr dankbar für diesen Wandel.“ sagte Ministerpräsident Tillich. Er erinnerte auch an den schwierigen Prozess der Veränderungen und Reformen seines Bundeslandes, zuerst auf dem Weg zur Deutschen Einheit, dann in den EU-Strukturen. „Wir hatten das Glück, einen so starken Partner wie Westdeutschland an unserer Seite zu wissen. In Polen indessen war das anders. Schwieriger.“ fügte er hinzu. Der CDU-Politiker bezog sich auf einen Vortrag Professor Leszek Balcerowiczs vor deutschen Journalisten, in dem der polnische Wirtschaftswissenschaftler beschrieb, wie viel die friedliche Revolution die Polen gekostet hat und welch ein Schock sie für diese war. „ Heute habe ich die Arbeitslosenzahlen in Sachsen mit denen in Polen verglichen und sie ähneln sich sehr: im deutschen Bundesland liegen sie bei 9,2%, in Polen dagegen bei 11%. Vor zehn Jahren waren die Zahlen doppelt so hoch.“ fasste Tillich zusammen. Schließlich fügte er hinzu, dass Polen heute ein Stabilitäts-Garant in der EU sei und dass dies mit hohen Ämtern polnischer Politiker in den EU-Strukturen geehrt worden sei: mit Jerze Buzek als ehemaligem Vorsitzenden des Europäischen Parlaments sowie Donald Tusk als aktuellem Chef des Europa-Rats.
Nach dem Auftritt des sächsischen Ministerpräsidenten ergriff der Chefredakteur der Tageszeitung „Rzeczpospolita”, Bogusław Chrabota das Wort. Der Journalist begann seine Ansprache mit den positiven Aspekten der deutsch-polnischen Beziehungen: „Es ist ein Wunder, wie sie [die Beziehungen, Anm. d. Übersetzerin] heute aussehen, und das sage ich aus der Perspektive eines in die Geschichte verstrickten Menschen, dessen Familie von der Tragödie des Nationalsozialismus und Kommunismus gebrandmarkt wurde. Es war nicht einfach, sich von dieser Geschichtsvision loszumachen. Ich dachte, dass wir einige Generationen benötigen würden, um uns zu verstehen.“ Er betonte, dass Deutschland heute Polens wichtigster Partner und Verbündeter sei und erinnerte daran, dass der Mythos über die „polnische Wirtschaft“ bereits seit langem ausgestorben sei und an die Außenhandelsbilanz zugunsten Polens. Bogusław Chrabota machte aber auch auf die vielen Probleme aufmerksam, mit denen Deutschland ringt und die Polen beunruhigen können: die Immigranten-Frage und die Abneigung, die jenen z.B. von Bewegungen wie PeGiDa entgegengebracht wird, der russisch-ukrainische Konflikt und die Abwesenheit Polens bei den Verhandlungen sowie die Rolle Polens in der EU. „Unser Land ist nur ein kleines Abteil des gesamten Zuges, den Deutschland anführt. Welche Rolle wird uns zugewiesen?“ fragte der Chefredakteur der „Rzeczpospolita”.
Stanislaw Tillich versicherte, dass die Demokratie in der heutigen BRD so stark verwurzelt sei, dass sie Probleme wie die Fremdenfeindlichkeit mit Sicherheit meistern könne. Der Politiker betonte, dass die Zeit von PeGiDa bereits langsam zu ende gehe: „Die Bewegung hat zu einer bestimmten Zeit versucht, die Serie von Attentaten in Paris und Kopenhagen für ihre eigenen politischen Ziele zu nutzen. Aus heutiger Sicht gibt es allerdings keine Chance auf ein weiteres Anwachsen.“ Deutschlang benötige Immigranten, um sich im weiteren Verlauf dynamisch zu entwickeln, resümierte er. Bezüglich der Ukraine-Krise versicherte der sächsische Ministerpräsident, dass Deutschland die Interessen Anderer, speziell die polnischen und die der baltischen Anrainerstaaten, vertrete. Deren Stimme, beteuerte der CDU-Politiker, sei die wichtigste Berater-Stimme. „Natürlich hat es Priorität, die Sicherheit der Länder zu gewährleisten, die direkt angrenzen.“ sagte er. Er gab keine klare Antwort auf die Frage nach der Rolle Deutschlands in der EU, stellte aber fest, dass es der BRD aufgrund seiner Vergangenheit immer noch schwer falle, die Führung in Europa zu übernehmen.
Die Teilnehmer des Treffens verwiesen auf den Aufbau einer Zivilgesellschaft, was wir Polen von unseren westlichen Nachbarn gelernt haben. Das Publikum bestand angesichts der Tatsache, dass immer mehr ukrainische Studenten in Polen studieren darauf, dass es gut wäre, dasselbe Modell auf den Osten zu übertragen. Es wurde darauf aufmerksam gemacht, dass Deutsche, die in Polen leben, im Parlament vertreten werden, was man über Polen, die jenseits der westlichen Landesgrenzen leben, nicht sagen könne. Außerdem wurde die Notwendigkeit eines stärkeren Engagements Polens in die beidseitigen Beziehungen erwähnt. Es mangelte auch nicht an Fragen über Polnisch-Unterricht in sächsischen Schulen und das Interesse an der polnischen Kultur in dem Bundesland.
Das Treffen mit Ministerpräsident Tillich kann man als gelungen bezeichnen: der Politiker setzte auf die Diskussion mit dem Publikum, worauf er bereits zu Beginn seiner Ansprache aufmerksam gemacht hatte. Er hörte sich alle Fragen genau an und beantwortete sie der Reihe nach. Er hob die Bedeutung der deutsch-polnischen Beziehungen hervor und zeigte die Absicht, diese weiterzuentwickeln.
Sylwia Ławrynowicz
(tłumaczenie: Elza Czarnowski)