Mit dem Finger auf der Karte durch die Bundesländer reisen – ein Bericht von Mateusz Tofilski
Berliner Mauer, Brandenburger Tor, Currywurst, Marathon in Berlin und der Club der Polnischen Versager. Darüber und über viele andere interessante Dinge, die mit der Hauptstadt Deutschlands verbunden sind, könnte man beim Finale des Wettbewerbs „Deutsch – Land, wędrówka po landach“ (Deutsch – Land, eine Wanderung durch die Bundesländer) hören, das am 18. Mai im Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Wrocław stattfand.
Das Projekt startete bereits im Oktober 2016, wurde von der Abteilung Katowice des Verbandes der Deutschlehrer durchgeführt und war an Gymnasiasten der Woiwodschaft Schlesien gerichtet. Die Schüler bildeten Mannschaften, die jeweils aus drei Personen bestanden und traten ihre Wanderung mit einer Qualifikationsrunde an, die als 50minütige Workshops in Schulen in Bielsko-Biała, in Brynek, Mikołów, Czeladź und Katowice stattfanden. Jeder Workshop wurde von einem anderen Lehrer durchgeführt und betraf ein anderes Bundesland, alle Workshops aber endeten mit einem Test, bei dem ausschließlich Inhalte angefragt wurden, die während des Workshops behandelt worden waren. Auf diese Weise haben sich fünf Gruppen – die Sieger der einzelnen Qualifikationsrunden – für das Finale qualifiziert.
Das Thema des Finales war Berlin. Ohne das Konsulatsgebäude zu verlassen, besichtigten die Teilnehmer des Wanderwettbewerbes die deutsche Hauptstadt an fünf Stationen, von denen jede auf einen anderen Aspekt der Stadt konzentriert war (Küche, Geschichte, Kultur, interessante Informationen und das zeitgenössische Antlitz der Metropole). Ähnlich wie bei der ersten Etappe des Wettbewerbs endete jede Station mit einem kurzen Test, bei dem überprüft wurde, wie die Informationen während des 10minütigen Unterrichts aufgenommen wurden. Neu war der zweite Teil des Finales, in dem die Schüler bei einer Präsentation von extra vorbereiteten Szenen nicht nur ihre Deutschkenntnisse unter Beweis stellen, sondern im Berliner Dialekt sprechen mussten. Nachdem die Punkte zusammengezählt worden waren, wurde der Sieger des ersten Wettbewerbs „Deutsch – Land, eine Wanderung durch die Bundesländer“ bekanntgegeben: die Schüler des 4. Gymnasiums „Jerzy Ziętek“ in Katowice. Nach dem Wettbewerb wurde allen Finalisten die Stadt Wrocław, wo das Finale stattgefunden hatte, von einem professionellen Stadtführer gezeigt.
„Am Anfang haben alle gesagt: Was hast du dir da denn ausgedacht!? Ein Kollege meinte sogar, ich wäre wohl zu lange in der Sonne gewesen …“, erinnert sich Małgorzata Bubik, Autorin und Koordinatorin des Projektes und Vorsitzende der Katowicer Abteilung des Polnischen Verbandes der Deutschlehrer. Doch mit der Zeit sei aus einer einfachen Idee ein Plan für eine Veranstaltung geworden, das sich mithilfe von Marion Ramackers, Konsulin für Kultur, als ein gelungenes Angebot für polnische Schüler erwies. Ein Angebot, das gebraucht wird. Insbesondere, als die gegenwärtige Didaktik sich mit vielen wichtigen Problemen auseinandersetzen muss, die sich auf die Frage herunterbrechen lassen, wie der Unterricht für einzelne Altersgruppen heute wirksam und interessant gestaltet werden kann. Wie kann die Jugend erreicht werden, die immer stärker in einer digitalen Wirklichkeit verankert ist? Wie verändert der allgemeine und leichte Zugang zu Wissen die Anforderungen an das aktuelle Bildungssystem? Natürlich geben nicht einmal die besten Workshops und Wettbewerbe in dieser Frage eine umfassende Antwort. Muster, auch nicht die einfachsten, ersetzen keine systemischen Lösungen, sondern können nur ein Beispiel sein für sogenannte gute Praktiken. „Die Wanderung durch die Bundesländer“ zeigt, wie man einfallsreich und interaktiv unterrichten und dabei das Potenzial der jungen Menschen nutzen kann. Ungewöhnlich immersiv wirkt die Idee, bei dem Wettbewerb ausschließlich Wissen abzufragen, das während des Unterrichtes erworben wurde, auch weil die Schüler dadurch in die gezeigte Welt regelrecht hineingezogen werden.
Die Ideengeberin des Wettbewerbs betont, dass die Lehrer, die an dem Projekt teilnahmen, vollkommende Freiheit in der Wahl der von ihnen besprochenen Region und der Art und Weise des Unterrichtes hatten. Somit wurde der Wettbewerb auch zu einer wunderbaren Gelegenheit, verschiedene Unterrichtsarten zusammenzustellen, die nicht nur die leitenden Lehrer nutzen konnten, sondern auch die Betreuer aller Mannschaften.
„Das Projekt hat den Charakter eines Mini-Wettbewerbs“, sagte Bubik immer wieder, „in dem der Hauptpreis im Grunde die Gelegenheit ist, die Konsulin zu treffen, das Konsulat zu besichtigen, an einem speziell organisierten Ausflug und an dem Spaß, der mit dem Erwerb von neuem Wissen verbunden ist, teilzuhaben.“ Hält man die Metapher der Wanderung aufrecht, lässt sich an dieser Stelle der echte Wanderer, für den eine Reise an sich bereits einen Wert darstellt, von dem normalen Touristen unterscheiden. Ziel der Organisatoren war es im Grunde, jungen Menschen das Land unserer Nachbarn vorzustellen, ihnen Inhalte zu vermitteln, die einfach nicht in die Lehrpläne passen, weil sie über den Spracherwerb hinausgehen. Das Element der mobilisierten Rivalität und die Besichtigung von Wrocław unter der Maßgabe, es mit Berlin zu vergleichen, und dann das Essen in den schönen Konsulatsräumen, erwiesen sich als eine gelungene Form, um dieses Ziel zu erreichen.
Für die erste Ausgabe des Wettbewerbs hatten sich vierunddreißig Schulen aus ganz Schlesien angemeldet, deshalb kann man nur hoffen, dass das Projekt fortgesetzt wird und in einem Jahr wieder Schüler durch die deutschen Bundesländer und durch Wrocław wandern werden.
Mateusz Tofilski