10. November: ENIGMA – ein Vorbote der digitalen Zivilisation
Der Bruch der Enigma-Verschlüsselung durch das Team des polnischen Chiffrebüros mit Marian Rejewski, Jerzy Różycki und Henryk Zygalski hat den Zweiten Weltkrieg um einige Jahre verkürzt. Damit wurde Millionen Menschen das Leben gerettet und Europa wahrscheinlich vor dem Einsatz von Atomwaffen bewahrt. Heute sind wir uns nicht dessen bewusst, dass der Erfolg der polnischen Kryptologen den Anfang einer Entwicklung bildete, die im Laufe der Zeit zur modernen Computer-Revolution führte.
Die Konferenz „ENIGMA – ein Vorbote der digitalen Zivilisation” stellt einen Versuch dar, an den Beitrag der polnischen Kryptologen zum Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg zu erinnern und die Verbindungen zwischen dem intellektuellen Durchbruch, den polnische Mathematiker schafften, und der Rolle der Kryptologie beim Aufbau der modernen digitalen Zivilisation zu zeigen. Die Konferenz zielt außerdem darauf ab, die polnische historische Narration in Bezug auf die Leistungen beim Bruch der Enigma-Verschlüsselung zu popularisieren und sich den in Westeuropa verbreiteten Stereotypen zu widersetzen, dass die Polen an dieser Arbeit nicht beteiligt gewesen wären.
An der
Konferenz werden weltbekannte Spezialisten auf dem Gebiet der Kryptologie
teilnehmen, u.a. Prof. Bernhard Esslinger, ehemaliger Chef-Kryptologe der
Deutschen Bank, Prof. Andrew Clark von der Royal Holloway University of London
und Sir Dermot Turing, Mitglied des Kuratoriums von Bletchley Park Museum sowie
Buchautor von „Demistyfying the Bombe” und „Prof. Alan Turing Decoded”, Neffe
von Alan Turing, der al seiner der führenden Kryptologen des Zentrums Bletchley
Park in die Geschichte eingegangen ist.
Während der Konferenz werden die Teilnehmer darüber hinaus die Gelegenheit haben, sich ein originales Exemplar der Schlüsselmaschine ENIGMA aus den Beständen des Museums der polnischen Armee in Warschau anzuschauen.
Die Anzahl
der Plätze ist begrenzt. Wir bitten, die Teilnahme bis 6. November an fundacja@fwpn.org.pl zu bestätigen.
Programm
10.00
Eröffnung der Konferenz
Prof. Dr. habil. Krzysztof Miszczak, Geschäftsführender Vorstand Stiftung für
deutsch-polnische Zusammenarbeit
10.10 Vortrag
Dr. Adam Bodnar, Bürgerrechtsbeauftragter
10.15. Panel 1. Enigma – Vorgeschichte der Kryptologie
Klaus Schmeh, Die Anfänge maschineller Kryptografie
Prof. Dr. habil. Wojciech Guzicki, Universität Warschau, Der Angriff auf den Enigma-Code - eine mathematische Revolution in der Kryptologie
Sir Dermot Turing, Mitglied des Kuratoriums von Bletchley Park Museum, Alan Turing und die Bombe
Prof. Andrew Clark, Royal Holloway University of London Der Traum von einer universellen Maschine zur Kryptoanalyse
Moderation: Dr. Marek Grajek
11.40 Publikumsdiskussion
12.00 Vortrag
Mariusz Wiśniewski, stellvertretender Präsident von Posen, Posen – Geburt des Enigma-Museums
12.15 Kaffeepause
12.45 Panel 2. Kryptologie gegenüber den Herausforderungen der Cybersicherheit
Sławomir Kosieliński, Collegium Civitas, Freiheit oder Sicherheit – Workshop über Datenschutz
Dr. Marek Grajek, Theorie, Praxis und Politik. Tücken beim Datenschutz
Nicolas T. Courtois, University College London, Bitcoin – der Traum von Kryptologen
Prof. Dr. Bernhard Esslinger, Universität Siegen, Welchen kryptografischen Instrumenten kann man vertrauen in Anbetracht der technischen Möglichkeiten der NSA (nach den Enthüllungen von Edward Snowden)?
Moderation: Prof. Dr. Ing. Wojciech Cellary, Poznań University of Economics
14.45 Publikumsdiskussion
15.15 Zusammenfassung und Abschluss der Konferenz
Prof.
Dr. habil. Krzysztof Miszczak, Geschäftsführender Vorstand Stiftung für
deutsch-polnische
Bericht von der Konferenz:
ENIGMA – ein Vorbote der digitalen Zivilisation
Am 10. November 2015 wurde im Sitz der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit über die Turing-Bombe, Codeknacker und Dechiffrierungsmaschinen im Rahmen Konferenz ENIGMA – ein Vorbote der digitalen Zivilisation diskutiert. Die Konferenz fand unter der Schirmherrschaft des Polnischen Bürgerrechtsbeauftragten Dr. Adam Bodnar statt.
Die Konferenz stellte den Versuch dar, an den Beitrag der polnischen Kryptologen zum Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg zu erinnern und die Verbindungen zwischen dem intellektuellen Durchbruch, den polnische Mathematiker schafften, und der Rolle der Kryptologie beim Aufbau der modernen digitalen Zivilisation zu zeigen. Die Konferenz zielte außerdem darauf ab, die polnische historische Narration in Bezug auf die Leistungen beim Bruch der Enigma-Verschlüsselung zu popularisieren und sich den in Westeuropa verbreiteten Stereotypen zu widersetzen, dass die Polen an dieser Arbeit nicht beteiligt gewesen wären.
Die Historiker sind sich einig, dass das Knacken der Enigma-Verschlüsselung durch das Team des polnischen Chiffrebüros mit Marian Rejewski, Jerzy Różycki und Henryk Zygalski den Zweiten Weltkrieg um einige Jahre verkürzt hat. Damit wurde Millionen Menschen das Leben gerettet und Europa wahrscheinlich vor dem Einsatz von Atomwaffen bewahrt. Heute sind wir uns nicht dessen bewusst, dass der Erfolg der polnischen Kryptologen den Anfang einer Entwicklung bildete, die im Laufe der Zeit zur modernen Computer-Revolution führte.
Mit einigen einleitenden Worten begrüßte Prof. Dr. habil. Krzysztof Miszczak, Geschäftsführender Vorstand der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, die Teilnehmer: „Das ganze Wissen über die Rolle der Polen bei der Dechiffrierung der Enigma wurde erst nach dem Eintritt Polens in die NATO öffentlich gemacht. Mit dieser Konferenz wollen wir den polnischen Beitrag zum Sieg der Alliierten ins Gedächtnis rufen.”
Es folgte der Vortrag von Adam Bodnar, Bürgerrechtsbeauftragter der polnischen Regierung, in dem er die Bedeutung der Veranstaltung hervorhob und die Pioniere der Kryptologie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und dass in Polen viel zu wenige Debatten über Datenschutz geführt würden.
Klaus Schmeh eröffnete das erste Panel mit einem Referat über die Anfänge der Kryptografie, in dem er unter anderem die ersten Verschlüsselungsmaschinen vorstellte. Prof. Dr. habil. Wojciech Guzicki von der Universität Warschau ergriff als nächster das Wort und erzählte, was ihn an der Mathematik sein ganzes Leben lang faszinierte - die Revolution, dass ein Code nicht von Linguisten, sondern Mathematikern geknackt wurde. Der Vortrag von Sir Dermot Turing, Mitglied des Kuratoriums vom Bletchley Park Museum und Neffe von Alan Turing, beschäftigte sich mit verschiedenen Verschlüsselungsmaschinen und wie es dazu kam, dass plötzlich Maschinen, nicht Menschen, im Zentrum des Dechiffrierungsprozesses standen. Prof. Andrew Clark von der Royal Holloway University of London übernahm das Wort und hielt einen Vortrag über die berühmtesten Kryptoanalitiker in der Geschichte. Er hub hervor, dass ihr Beitrag nicht nur geholfen hat den Krieg früher zu beenden – er diente ebenfalls als Inspiration für nachfolgende Generationen von Codeknackern, da sie mit der Entschlüsselung der Enigma das scheinbar Unmögliche vollbracht hatten. Beendet wurde das erste Panel von Mariusz Wiśniewski, stellvertretender Präsident von Posen. Er wies auf den Bau eines Enigma-Museums in seiner Stadt hin und dass es ihm persönlich am Herzen liege, dass die historische Wahrheit verbreitet und die Rolle der Polen bei diesem Unterfangen nicht vergessen werde. Moderiert wurde das Panel von dem polnischen Autoren und Kryptologen Marek Grajek.
Das zweite Panel widmete sich den Herausforderungen der Cybersicherheit. Es begann mit einem Workshop von Sławomir Kosieliński vom Collegium Civitas über Datenschutz. Er führte vor, wie nur anhand einer Email-Adresse oder eines Nummernschildes man dank des Internets praktischen alles über eine Person herausfinden konnte. Kosieliński machte deutlich, dass im digitalen Zeitalter wir uns entscheiden müssen: entweder Digitalisierung oder Sicherheit. Im Internet gibt keine Privatsphäre. Marek Grajek griff in seinem Vortrag diese Aussage auf und wies auf ein Paradox hin: je wichtiger jemandem seine Privatsphäre ist, desto weniger neigt er dazu, sie zu schützen – ein fataler Fehler, denn heutzutage ist jeder mit seinem Handy, Social Media oder der Cloud vernetzt. Da Identitätsdiebstahl eine ständige und sehr reale Gefahr ist, schlug er vor sich zu schützen, indem man einen Avatar beim Gebrauch des Internets verwendet. Leider werde diese Idee durch die Wirtschaft und Politik zu wenig verfolgt. Nicolas T. Courtois vom University College London hielt darauf einen Vortrag über Bitcoins, einer digitalen Geldeinheit und dezentralem Zahlungssystem. Schnell driftete er zum Thema Sicherheit und Freiheit ab. So erklärte er, dass man lange davon überzeugt war, dass mehr Freiheit zwangsweise weniger Sicherheit bedeute. Im Rahmen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit über Bitcoins sei er aber zum Schluss gekommen, dass Freiheit und Sicherheit nicht im Gegensatz zueinander stehen müssen. Zu oft haben wir in der Vergangenheit bei Hackerangriffen und Finanzkrise versäumt, unsere Daten und Geld zu beschützen. In den letzten 25 Jahren haben wir an Freiheit verloren, weil die Menschen weniger Geld in der Tasche haben. Heutzutage werden die Menschen nicht mehr physisch, sondern finanziell unterdrückt. Zum Schluss äußerte er die Hoffnung, dass vielleicht dank den Bitcoins diese Unterdrückung ein Ende finden wird. Als letzter sprach Prof. Dr. Bernhard Esslinger von der Universität Siegen über die Sicherheit kryptografischer Instrumente in Anbetracht der technischen Möglichkeiten der NSA (nach den Enthüllungen von Edward Snowden). Fast alles werde heute verschlüsselt, egal ob Telefone, Kreditkarten oder Satellitenfernsehen. Gleichzeitig wird alles und jeder ausspioniert, auch die Bundeskanzlerin Merkel. Das Kernproblem der Spionage durch die NSA sei, dass sie die gesammelten Daten für viele Jahre speichern würde, die sie später für Schmutzkampagnen etwa verwenden könnte. Die Enthüllungen von Snowden zeigten, dass die NSA durch Bestechungen und Einbau von Krypto-Backdoors de facto in jeden Rechner einbrechen kann. Zum Schluss seiner Rede betonte er die Wichtigkeit, seine Daten entsprechend zu Verschlüsseln: in Unternehmen werde Inventur über jede Schraube geführt, aber es werde sich nur unzureichend vor Spionage-Angriffen geschützt. Moderiert wurde das Panel von Prof. Dr. Ing. Wojciech Cellary, Poznań University of Economics.
Fotos von der Konferenz sind in der SdpZ-Mediathek abrufbar.