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Auftakt der Diskussionsreihe 'Europa neu denken'

Die Historiker Wolfgang Eichwede, Jurij Afanasjew, Jaroslav Hrycak und der Publizist Adam Michnik diskutierten am Mittwoch in Warschau zum Auftakt der Diskussionsreihe “Europa neu denken“ über die Umbrüche und Aufbrüche in Europa nach 1939 und 1989. Im Vordergrund der ersten öffentlichen Debatte stand die Fragestellung, welche Schlussfolgerungen sich aus den Erfahrungen dieser (Wende-)Jahre für die Zukunft Europas ergeben.

Professor Wolfgang Eichwede von der Universität Bremen beleuchtete den schmerzhaften Lernprozess der Deutschen nach 1945. "Die deutsche Niederlage führte zu einer Veränderung der (deutschen) Denkweise. Diese überzeugte uns allmählich von der Idee Europas. Ich denke, dass der disziplinierender Geist, der von Europäischen Union ausgeht, sehr wichtig ist, um potentielle Konflikte zu entschärfen.“ Vom Moderator Adam Krzemiński (Polityka) gefragt, wie er sich Europa in zehn Jahren vorstelle, entgegnete Eichwede. „Ich wünschte mir, dass wesentlich mehr Deutsche in zehn Jahren Polnisch sprechen, da die Kenntnis der nachbarlichen Sprache hilft, die Denkweise des Nachbarn zu verstehen.“

Laut Adam Michnik, dem Chefredakteur der ‘Gazeta Wybrocza’, ist die Europäische Union eine Antwort auf Ideologien wie den Faschismus, Nazismus und Kommunismus sowie den Zweiten Weltkrieg. „Die geniale Idee für die europäische Integration beruhte doch darauf, dass es keine Liebesheirat, sondern eine Vernuftehe war“, so der ehemalige Dissident und Publizist. Aber auch in Zukunft spiele die EU eine wesentliche Rolle für Europa. Die Zukunft der europäischen Gemeinschaft basiere auf festen Werten und einer gemeinsamen Erinnerung, so Michnik.

An der Diskussion des Goethe-Instituts Warschau, der ‘Gazeta Wyborcza’ und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, die am 15. April stattfand, nahmen teil:
Jurij Afanasjew (1934), Professor, Historiker, Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, ehemaliger Rektor der Russischen Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften; ehemaliger Dissident, bis heute setzt er in seinen Publikationen konsequent die Idee des Bürgerstaates durch.
Wolfgang Eichwede (1942), Professor, Historiker der Geschichte und Politikwissenschaften an der Universität Bremen. Gründer und in den Jahren 1982-2008 Direktor der Forschungsstelle Osteuropa; Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde. 
Jaroslav Hrycak (1960), Professor der Ukrainischen Katholischen Universität und Direktor des Instituts für Geschichtsforschung an der Ivan Franko Nationaluniversität Lemberg. Er beschäftigt sich mit der Geschichte Osteuropas des 19. und 20. Jh.
Adam Michnik (1946), Journalist, Dissident der antikommunistischen Opposition in der Volksrepublik Polen, Gründer und Chefredakteur der„Gazeta Wyborcza”.

Die Reihe internationaler öffentlicher Debatten “Europa neu denken“ findet im besonderen Gedenkjahr anlässlich der Ereignisse aus den Jahren 1939 und 1989 mit Teilnahme von Persönlichkeiten und Kommentatoren des öffentlichen Lebens aus Deutschland und Polen oder aus anderen Mittel- und Osteuropäischen Ländern bzw. Russland statt. Das Ziel ist es, auf die Vergangenheit zu blicken und über ihre Konsequenzen für das Europa von morgen nachzudenken. Die nächste Diskussionsrunde unter dem Titel „Mein 1989, unser 2009“ ist für den 28. Mai vorgesehen.