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Deutsche und Polen - zwischen Nähe und Fremdheit. Deutsch-Polnisches Barometer 2022

Die Deutschen erfahren weitaus seltener etwas über Polen als die Polen über Deutschland, und das hat einen deutlichen Einfluss auf ihre ambivalente Haltung gegenüber Polen und seiner Bevölkerung. Die Einstellung der Polen zu Deutschland und den Deutschen hängt weitgehend von den politischen Präferenzen und dem Medienkonsum ab, so die jährliche Studie „Deutsch-Polnisches Barometer“.

Die am häufigsten genutzten Quellen gesellschaftlich-politischer Informationen sind in Polen private Fernsehsender (72%), Facebook (69%), Internetportale (68%) sowie private Radiostationen (65%). Die Deutschen beziehen ihr gesellschaftlich-politisches Wissen größtenteils aus dem öffentlich-rechtlichen (69%) und privaten (66%) Fernsehen, dem öffentlich-rechtlichen Radio (59%) sowie Internetportalen (56%). „Die Antworten auf die Frage nach den Quellen gesellschaftspolitischen Wissens zeigen deutliche Unterschiede zwischen Polen und Deutschen. Letztere beziehen ihre Informationen gerne aus den öffentlichen Medien, die in Polen weit weniger beliebt sind und weniger Vertrauen genießen. Weniger Polen als Deutsche informieren sich in der gedruckten Presse und ihren Online-Ausgaben. In Polen hingegen lesen die Menschen eher als in Deutschland Informationen, die auf Internetportalen oder Facebook gepostet werden", fasst der Ko-Autor der Studie, Dr. Jacek Kucharczyk, Soziologe am Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau, die Unterschiede zusammen.

In Polen wird als Wissensquelle zum Thema Deutschland am häufigsten die Schule (46%) genannt. Wichtig sind aber auch Gespräche in der Familie (41%) und Aussagen von Politikern (40%). In Deutschland erreicht keine der Informationsquellen über Polen einen so hohen Anteil. Dominierend ist hier das Fernsehen (37%), gefolgt von Schule (28%), Familie (26%) sowie der Presse (25%). „Erwähnenswert ist der hohe Stellenwert der Schule als Quelle des Wissens der Polen über Deutschland. Es ist wichtig, dass das Bildungssystem Informationen über das Nachbarland vermittelt. In Deutschland, wo der Prozentsatz der Befragten, die die Schule als Quelle für ihr Wissen über Polen angeben, relativ niedrig ist, sollte man überlegen, wie dies geändert werden kann", bemerkt die Ko-Autorin Dr. Agnieszka Łada-Konefał, Politologin am Deutschen Polen-Institut in Darmstadt.

Wie bereits in den Vorjahren sind auch 2022 die Meinungen der Polen zum Thema Deutschland deutlich positiver als die der Deutschen über Polen. Die Polen bewerten sowohl den Zustand der deutschen Wirtschaft (74% der positiven Aussagen) als auch die Qualität der Demokratie (58%) sowie die Gewährung der Bürgerrechte (57%) in Deutschland überwiegend positiv. Weniger eindeutig ist die Beurteilung der Korruptionsbekämpfung (41%), aber auch hier überwiegen die positiven Bewertungen die negativen.

Die deutschen Befragten beurteilen den Zustand der polnischen Wirtschaft (35% der positiven Aussagen) und deren Attraktivität (32%) als am besten, den Zustand der Demokratie des Landes und der Rechtstaatlichkeit (26%), die Einhaltung der Minderheitenrechte (23%) und die Effektivität der Korruptionsbekämpfung (21%) hingegen als eher schlecht. Bei den beiden letztgenannten Themen überwiegen die negativen Bewertungen die positiven deutlich. Aber: Zu jeder dieser Fragen hat die jeweils größte Gruppe der deutschen Befragten keine Meinung, gibt eine neutrale Antwort oder gar keine.

Die Hälfte der Polen (50%) empfindet Sympathie für die Deutschen, etwas weniger als die Hälfte der Deutschen (43%) erwidert diese Sympathie. Polen sind gegenüber allen in der Studie abgefragten Nationen (Amerikanern, Franzosen, Briten und Tschechen) positiver eingestellt als die Deutschen. Ein Trend, der seit Jahren zu beobachten ist.

Der Grad der gegenseitigen Akzeptanz von Deutschen und Polen in verschiedenen sozialen Rollen – Schwiegertochter/Schwiegersohn, Firmenchef, direkter Vorgesetzter, Arbeitskollege, Untergebener, Einwohner, Nachbar, Stadtrat, Freund, Lehrer/Dozent – ist generell hoch (71% – 87%), auf polnischer Seite noch etwas höher als auf der deutschen. 

Die Antworten auf beiden Seiten der Grenze werden von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. In Polen sind dies häufiger politische Präferenzen und die Medien, aus denen man über Politik erfährt, als in Deutschland. Auf deutscher Seite wird das Polenbild eher durch das allgemeine Interesse an Politik und dem Aufenthalt im Nachbarland geprägt.

"Die Spaltung der polnischen Meinung über Deutschland und die Deutschen folgt hauptsächlich der in Polen vorherrschenden politischen Spaltung in Anhänger der Regierung und der Opposition sowie in Rezipienten der öffentlichen und privaten Medien", kommentiert Dr. Kucharczyk. "Die Anhänger der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit haben weniger Sympathie für Deutsche oder akzeptieren sie seltener in verschiedenen gesellschaftlichen Rollen als die Wähler der oppositionellen Bürgerkoalition und haben ein schlechteres Bild von Deutschland als Land."

In Deutschland hingegen ist es der Aufenthalt in Polen, der die Antworten der deutschen Befragten stark beeinflusst. Deutsche, die Polen nach den Veränderungen von 1989/90 mindestens einmal besucht haben, haben ein besseres Bild von Polen und sind den Polen zugeneigter als diejenigen, die noch nie in Polen waren. "Es ist daher notwendig, gerade jetzt, wo wir uns von der Pandemie erholen, noch einmal dazu aufzurufen, die Anstrengungen zu verstärken, um Deutsche zu ermutigen, nach Polen zu kommen", empfiehlt Dr. Łada-Konefał.

Die Studie erscheint in der Reihe Deutsch-Polnisches Barometer durchgeführt vom Institut für Öffentliche Angelegenheiten, dem Deutschen Polen-Institut, der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Die Umfragen wurden von der Firma KANTAR realisiert mithilfe der CAWI-Methode (unter Verwendung eines Online-Panels) mit je einer repräsentativen Gruppe von 1000 Einwohnern Polens und 1000 Einwohnern Deutschlands im Alter zwischen 18 und 75 Jahren zwischen dem 14. und 22. Februar 2022, also kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. Beide landesweiten Stichproben von Befragten sind repräsentativ nach Geschlecht, Alter und Wohnort.

Mehr in dem Bericht: J. Kucharczyk, A. Łada: "Deutsche und Polen - zwischen Nähe und Fremdheit. Deutsch-Polnisches Barometer 2022

Publikation zum Download

Interaktive Projektwebsite: https://www.deutsch-polnisches-barometer.de/de/publikation