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Über das Magazin Radar für die SdpZ von Małgorzata Marchwiana

Die Autoren denken zwar in verschiedenen Sprachen, aber durch diese Andersartigkeit entsteht eine Gemeinsamkeit der Erfahrungen. Sie ermöglicht eine nationenübergreifende Verständigung, die auf Literatur basiert.

Die Macher des literarischen Magazins „Radar" gehen davon aus, dass die Literatur von drei Nachbarländern im Grunde genommen ein schlüssiges Bild der Wirklichkeit ergibt. Das Magazin veröffentlicht Texte in ukrainisch-deutsch-polnischer Dreistimmigkeit. Die Autoren behandeln in jeder Ausgabe ein anderes Hauptthema, beispielsweise die Motive Reise und Heimweh. Sie suchen das, was uns verbindet, aber auch das, was uns trennt. Sie tun dies mit einem Interesse, von dem sich der Leser anstecken lässt, und mit großer Offenheit für das, was neu und unbekannt ist.

Die Idee für dieses Magazin ist im Jahr 2010 aus dem Stipendienprogramm Homines Urbani entstanden. Dabei handelte es sich um ein zyklisches Projekt des Vereins Villa Decius für Übersetzer, Schriftsteller und Literaturkritiker aus Polen, aus deutschsprachigen Ländern, der Ukraine, Belarus, Tschechien und der Slowakei. Aus diesem Projekt ist ein literarisches Kontaktnetz entstanden, das Impuls war für die Gründung einer dauerhaften Basis für Dialog und Verständigung. Die polnische, ukrainische und deutsche Redaktion setzt sich aus Dichtern, Kritikern, Essayisten, Schriftstellern, Journalisten und Übersetzern aus allen drei Ländern zusammen. Die meisten von ihnen waren Stipendiaten der Villa Decius. Das Projekt wurde auch von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit unterstützt.

Kann man von einer nationalen Literatur sprechen? Hat ihre Existenz in der globalisierten Welt Sinn? Bedeutet sie dasselbe wie noch vor einem halben Jahrhundert? Die Macher des Magazins weisen mit Nachdruck auf die Universalität von Literatur hin. Eine Geschichte, die in Polen spielt, kann problemlos in die Ukraine verlegt werden. Die Empfindungen eines polnischen Dichters können denen eines deutschen Dichters vertraut sein. Finanzielle Probleme sind vielen Menschen auf der ganzen Welt nicht fremd, und Einsamkeit, Sehnsucht und Liebe kennen keine Grenzen. Die Redaktion von Radar zeigt, dass es sich um eine Literatur handelt, nur dass sie eben in verschiedenen Sprachen verfasst ist.

Gegenseitiges Verständnis machen die Übersetzer möglich, die die leisen, aber exponierten Helden unseres Magazins sind. Gemäß dem Motto „ein Übersetzer ist auch Autor“ nehmen sich die Macher des Magazins der Kunst des Übersetzens an, indem sie die Meister auf diesem Gebiet zu Wort kommen lassen. Das sind polnische und ukrainische Philologen, Germanisten und Slawisten. Das sind Enthusiasten, denen das Lesen und Übersetzen von Texten so viel Spaß macht, dass dies in jeder Zeile zu spüren ist.

Die letzte Ausgabe (6) ist Bruno Schulz gewidmet. Die Literaten und Übersetzer entführen den Leser auf eine Reise durch die faszinierende Welt seiner Prosa. Drohobytsch, das heute in der Ukraine liegt, ist die Vorlage für diese Welt. Dorthin zieht es auch die von Schulz’ Zimtläden verzauberten Schriftsteller, Journalisten und Übersetzer. Sie suchen nach Orten, die mit dem polnisch-jüdischen Prosaiker verbunden sind, sie folgen seinen Spuren, besuchen Zeugen seines Genies wie beispielsweise seine Freundin Kinga Czajka. Zuweilen sind sie begeistert, manchmal sind sie enttäuscht, weil die von ihnen erträumte Welt nicht immer in der Wirklichkeit wiederzufinden ist. Es fehlt auch nicht an Überlegungen zu Schulz’ Schaffen, seiner Identität und seinem traurigen Schicksal. Die Autoren teilen ihre Gedanken auf abwechslungsreiche Weise mit, sie zeichnen plastische Bilder.

Das Magazin lässt sich kaum in einem Zug verschlingen. In Hinblick auf die Vielfalt der Inhalte, die nicht immer leicht aufzunehmen sind, schmeckt das Magazin in kleinen Happen entschieden besser. Man greift immer wieder gern nach dem Heft, auch aufgrund der interessanten grafischen Gestaltung, die Dorota Gawryszewska und Anna Jaworska-Kruk zu verdanken ist. Jede Ausgabe erinnert ein wenig an ein Kunstalbum. Wichtig ist auch der Rhythmus, genau wie in der Sprache von Bruno Schulz. Nach der Lektüre der eng bedruckten dreisprachigen Spalten ist Zeit, das Tempo zu drosseln und durchzuatmen. Die grafische Gestaltung, Zitate und Gedichte geben das Gefühl von Raum, der doch so wichtig ist für die Gedanken.

Alle Ausgaben von „Radar" sind im Internet erhältlich. Man kann das Magazin auch in der Villa Decius, in manchen Bibliotheken oder in einzelnen Cafés in ganz Polen kostenlos bekommen (die Adressliste finden Sie auf der Seite des Magazins). Im Ausland steht es in den Polnischen Instituten und in Bibliotheken zur Verfügung. Doch nicht alles passt in die Papierversion. Eine ausgezeichnete Ergänzung ist die Internetseite des Magazins http://e-radar.pl/, auf der Texte, aber auch aktuelle Beiträge zum Thema Literatur zu finden sind. Darüber hinaus gibt es hier auch Audio- und Videomaterialien sowie eine umfangreiche Bildergalerie.

Małgorzata Marchwiana