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Die Zimtläden in der Adaption von Frank Soehnle – ein Bericht von Magdalena Grynczel

In der Białystoker Kulturlandschaft gibt es einen Ort, an dem höchstwahrscheinlich schon jeder Białystoker war – das Puppentheater in Białystok. Was lockt Generation für Generation an? Zweifellos die außergewöhnlichen Vorführungen, zu denen wir auch Die Zimtläden unter der Regie von Frank Soehnle rechnen können, und die entstanden sind dank der Förderung durch die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit.

Mit der Prosa von Schult haben es schon viele Theaterschaffende aufgenommen. Mit unterschiedlichem Erfolg. Doch im Falle der von den Puppenspielern aus Białystok realisierten Vorführung gibt es keinen Zweifel, dass wir es mit einer Vorstellung zu tun haben, die man sehen sollte.

Denn erstens ist ein wesentliches Element die Kraft des Textes. Frank Sohnle inszeniert die Wintererzählungen der Zimtläden in der aus der Sammlung gewohnten Reihenfolge, in den Text interveniert er selten. Damit gibt er vollkommen den den Inhalt wieder, den Schulz übermitteln wollte. Die Story des Stücks berührt Themen wie das Dahingehen und den Verlust von Verwandten. Zusammen mit den theatralischen Mitteln ergibt sich eine ungewöhnliche, magisch-traumhafte Erzählung.

Von den Journalisten gefragt, warum er die Zimtläden als Grundlage genommen hat, sagte Soehnle: „Einerseits ist es eine sehr poetische Geschichte über den Tod der Eltern, über ihr Verschwinden, andererseits eine interessante Wandlung der Zeit, eine Geschichte darüber, wie die Welt aus Schulz' Kindheit langsam verschwindet.”

Diese Zweischichtigkeit ist ein weiterer Trumpf der Vorführung – nichts wird wörtlich, direkt ausgedrückt. Die Vögel werden von Schauspielern in schwarzen Kostümen dargestellt, die Gestalt des Vaters mithilfe von drei Marionetten unterschiedlicher Größe. Doch bleibt alles verständlich. Das kommt vor allem durch die visuellen und audiovisuellen Elemente der Vorführung. Die Puppen erscheinen gemeinsam auf der Bühne und schaffen damit eine ungewöhnliche Geschichte, sie sind nicht ein separates Element der Vorstellung. Die Puppenspieler bewegen sie auf innovative Weise, sie sind auch sichtbar. Durch diese Technik verwischen sich die Grenzen zwischen Mensch und Materie. Es ist zweifellos eine weitere Verbeugung vor dem Autor der Zimtläden.

Ebenso die Szenografie von Sabine Ebner. Es ist ein kleines Zimmer. Die Bühne ein Holzpodest mit Schubladen, die sich in entsprechenden Momenten öffnen, die Schauspieler fördern aus ihnen neue Elemente des Spiels zutage. Hinten auf der Bühne, in einem Fensterrahmen, werden dezente visuelle Elemente beleuchtet: die Titel der Erzählungen, der Text der von den Schauspielern erzählten Fragmente, und auch szenografische Elemente wie zum Beispiel gelbe Schnipsel, die von der Schauspielerin selbst am Anfang der Vorführung verstreut werden. Die Szenografie der Österreicherin und die Puppen von Frank Soehnle akzentuieren vor allem die Düsternis des Textes – diese Elemente, kombiniert mit der Musik von Krzysztof Dzierma, wirken stark auf die Zuschauer und schaffen eine ungewöhnliche, traumartige Atmosphäre.

Eben diese Atmosphäre ist zweifellos der wichtigste und zugleich stärkste Aspekt der Vorstellung. In den Zimtläden passt alles, trotz der Verworrenheit der Schulzschen Prosa, zueinander und wirkt miteinander. Im Białystoker Puppentheater ist damit eine Vorführung entstanden, die zu sehen sich lohnt.

Magdalena Grynczel, aus dem Polnischen von Marlena Breuer