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Revitalisierung des Panslawismus? Russland auf dem Weg zur imperialen Politik

Die Konferenz „Europa mit Zukunftsaussicht“ am 26. Mai 2017 im Europäischen Zentrum der Solidarność in Gdańsk wurde mit einer Podiumsdiskussion zur Außenpolitik der Russischen Föderation eröffnet. Die Analyse Russlands 100 Jahre nach der Oktoberrevolution kam zu dem Schluss, dass die Russische Föderation ihre imperiale Politik revitalisiert.

Ausgangspunkt für das Gespräch war die Frage des Moderators Cornelius Ochmann, geschäftsführender Vorstand der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit nach der Bedeutung der Revolution heutzutage. Anna Maria Dyner, Politologin und Analytikerin am Staatlichen Institut für internationale Angelegenheiten stellte die Ergebnisse der jährlichen Studie zum Verhältnis der Russen zur Großen Oktoberrevolution vor. Während sich die Bürger Russlands vor ein paar Jahren überaus positiv über sie geäußert hatten, hätten sie derzeit ein ambivalentes Verhältnis, das durch „falsche“ Geschichtsauslegungen bedingt sein könnte, womit der Einfluss der westlichen Welt gemeint ist. Nikita Pietrov, Historiker und Vertreter des Vereins Memorial stellte eine etwas andere Sichtweise dar. Seiner Meinung nach würde der Begriff Revolution gegenwärtig als entschieden negatives Element wahrgenommen, und es sei noch immer keine Strategie für eine Umgangsweise mit dem Thema Revolution erarbeitet worden. Zu Zeiten der UdSSR habe ein Apparat existiert, der Thesen von oben ausgegeben habe, die die Überzeugung von der politischen Korrektheit der Revolution vorgaben (mit der schließlich die Entstehung der UdSSR begann). Diese Überzeugung war für alle Bürger verpflichtend. Auch gegenwärtig ließe sich in Russland von einer Propaganda der Regierung sprechen, die die öffentliche Meinung gestaltet. Damit ließen sich alle politischen Bewegungen erklären, die Pietrov klar als „in Richtung imperiale Politik strebend“ beschrieb.

Roman Kabaczij, ukrainischer Historiker und Journalist, der das Institut für Masseninformatik in der Ukraine vertrat, sprach aus ukrainischer Sicht über die Große Oktoberrevolution. An den Kämpfen hätten nämlich auch ukrainische Truppen teilgenommen und da die Kämpfe auch Kiew betroffen hatten, müsse man eher von einem Großen Bürgerkrieg sprechen, denn von einer Revolution. Paweł Kowal, Publizist und Mitglied des Redaktionsrates „New Eastern Europe“ stimmte dieser Sichtweise in gewisser Weise zu und fasste die enormen Folgen der Revolution zusammen. Sie habe die Industrialisierungsprozesse ausgelöst. Derzeit werde jedoch wieder eine imperiale Staatspolitik aufgebaut, wo die „revolutionäre Idee der Nationalisierung weichen muss“. Dies bedeute, dass der Staat sich bemühe, den Ausbruch einer potentiellen Revolution zu kontrollieren und präventiv die Gedanken der Bürger in die entgegengesetzte Richtung lenke. Höhepunkt dieser Strategie sei die Annexion der Krim im Jahr 2014 gewesen.

Die Konferenz hatte Diskussionscharakter, deshalb fehlte es auch nicht an Stimmen aus dem Publikum. Der im Saal anwesende Zaza Mezvrishvili, Ratsmitglied der Stadt Gori, wies darauf hin, dass das durchschlagende Ereignis des russischen Imperialismus nicht die Krim, sondern bereits der Angriff auf Georgien im Jahr 2008 war. Vor über 200 Jahren war ein Vertrag zwischen Russland und Georgien unterzeichnet worden, der den Georgiern militärische Unterstützung im Kriegsfalle garantierte. Moskau habe diesen Vertrag fälschlich als grünes Licht für die ständige Kontrolle über den Kaukasus interpretiert. Jahrelang waren immer wieder Aufstände ausgebrochen, die die Russen mit ihrer militärischen Übermacht erfolgreich niederschlugen. 1991 konnte Georgien die Unabhängigkeit erlangen und zwar, so Mezvrishvili, dank der Unterstützung polnischer Politiker wie beispielsweise Lech Wałęsa. Russland konnte jedoch die Souveränität der Georgier nicht akzeptieren. Weil Tiflis feindliche Beziehungen zu den nördlichen Nachbarn unterhielt, war es zu einer engeren Kooperation mit dem südlichen Nachbarn, der Türkei, gezwungen. Für die Einwohner von Gori stünde außer Zweifel, dass Russland eine imperiale Politik führe, und die einzige Lösung eine engere Zusammenarbeit der Staaten der Ostpartnerschaft sei, vor allem die Zusammenarbeit von Georgien, der Ukraine und Belarus mit der Unterstützung von Polen.

Russland bleibt als der größte Staat der Welt, der darüber hinaus reich an Energierohstoffen ist, international ein wichtiger Handelspartner. In dem Bewusstsein seiner Großmachtstellung versucht es konsequent, seine alte Dominanz in Ost- und Westeuropa wiederaufzubauen. Präsident Wladimir Putin selbst hatte 2005 in einer Rede von dem Verlust gesprochen, den Russland zweifelsohne mit dem Zerfall der UdSSR erlitten habe. Zusammenfassend bleibt die Frage bestehen, ob Russland nicht versuchen wird, das alte Imperium seiner Glanzzeiten wiederaufzubauen.

Julia Grzybowska