drucken
Kalendarium

Zusammenarbeit als Markenzeichen. Die Übertragbarkeit der deutsch-polnischen Praxis im internationalen Kontext [WARSCHAU]

12 Oktober 2011 - 12 Oktober 2011

Heute, 2011, müssen selbst Skeptiker anerkennen, dass der Prozess der deutsch-polnischen Verständigung und der Dialog zwischen den Menschen beider Länder unbestreitbar zu positiven Ergebnissen geführt haben. Natürlich schließt dies eine kritische Auseinandersetzung über den Charakter und die Qualität dieses Transfers von Ideen und gemeinsam Geleistetem nicht aus.

Die Fotografie „Radrennfahrer“ von Zbigniew Libera ist ein interessanter und aktueller Kommentar zur deutsch-polnischen Vergangenheit im Lichte der Gegenwart: Eine Gruppe von sportlich gekleideten Männern mit Fahrradhelmen versucht, einen weiß-roten Schlagbaum anzuheben. Der Künstler bezieht sich damit auf das bekannte Foto vom 1. September 1939, das deutsche Soldaten bei der Demontage eines polnischen Schlagbaums zeigt. Die Erinnerung an die schwierige Vergangenheit ist nicht verschwunden, aber sie lähmt uns nicht mehr, Stereotype wurden entzaubert und überwunden. Man kann weiter gehen.

Seit der Wende, die ihren Anfang in Polen nahm und zu deren Symbol der Berliner Mauerfall wurde, hatten beide Gesellschaften 20 Jahre Zeit, die deutsch-polnischen Beziehungen in freier Selbstbestimmung zu gestalten. Jetzt heißt die Frage: Wie geht es weiter?
„Verständigung” und gutnachbarschaftliche Zusammenarbeit sind kein Zustand, der einmal hergestellt konserviert und in Ehren gehalten, aber nicht mehr weiterentwickelt wird. Nein, es ist ein „work in progress”, eine permanente Aufgabe. In den vergangenen 20 Jahren haben sich beide Gesellschaften gewandelt – die deutsche und die polnische. Die zeitgenössische Wirklichkeit der „Verständigung” und „Zusammenarbeit” verlangt nach einem neuen Narrativ, weil sich der Raum, in dem wir leben, ständig verändert und weiterentwickelt.

„Verständigung” findet auch nicht ausschließlich im bilateralen Verhältnis zweier Nationen statt, sondern in einem internationalen Kontext. Ohne den deutsch-polnischen Schritt von einer historischen Kluft zu einer engen Zusammenarbeit wären große politische Projekte wie die Europäische Union nicht möglich gewesen. Die Perspektive eines zusammenwachsenden Europas hat beide Länder dazu ermutigt, gemeinsam zu handeln. Und ein vereintes Europa wäre mit einem deutsch-polnischen Konflikt im Hintergrund kaum vorstellbar.

Betrachtet man die Beziehungen zwischen Berlin und Warschau von außen – aus der Sicht von Moskau, Kaliningrad, Wilna oder Seoul – ist die Frage berechtigt, ob es sich bei der deutsch-polnischen Verständigung um einen Einzelfall handelt, oder ob es sich lohnt, nach einem universellen Potential Ausschau zu halten. Der Prozess, durch den die deutsch-polnischen Beziehungen den jetzigen Stand erreichten, erhält durch diese Betrachtung von außen einen neuen Wert.

Fragen nach der praktischen Zusammenarbeit sind dabei berechtigt und notwendig. Wie nutzt man einen für die Verständigung historisch günstigen Moment? Welche Faktoren behindern die Zusammenarbeit und welche begünstigen sie? Wie kann man trotz unterschiedlicher Meinungen über wichtige Fragen sinnvoll zusammenarbeiten?

Zum interdisziplinären Gespräch haben wir Experten aus unterschiedlichen Ländern und Regionen der Welt eingeladen – Menschen, die aktiv Zusammenarbeit praktizieren: Politiker, Historiker, Journalisten und NGO-Vertreter. Wir wollen damit eine Diskussion in Gang setzen, die auch in Zukunft in der Arbeit der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit ihren Platz haben wird und fortgeführt und vertieft werden soll.

DAS PROGRAMM:

09:00 – 09:30 Registrierung der Teilnehmer

09:30 – 09:45 Grusswort
Einführung in das Thema der Konferenz: Markus Meckel (SdpZ)

09:45 – 11:15 Zusammenarbeit und Kontroverse
Moderation: Basil Kerski („Dialog”, Europäisches Solidarność-Zentrum, Danzig)

Adam Daniel Rotfeld (Polnisch-Russische Gruppe für schwierige Angelegenheiten, Warschau)
Polen – Russland: das historische Gedächtnis und Bewältigung von Stereotypen.

Šarūnas Liekis (Vytautas Magnus Universität – Politikwissenschaftliche Fakultät, Wilna)
Identitätsfalle. Perspektiven der polnisch-litauischen Beziehungen.

Stefan Berger (University of Manchester – Jean-Monnet-Centre of Excellence)
Kaliningrad: Praxis einer Nachbarschaft.

     Kommentar 1
    Irina Kobrinskaya (Institut für Wirtschaft und Internationale Beziehungen, Moskau)
     Kommentar 2
     Nataly Jung-Hwa Han (Koreaverband, Berlin)
     Kommentar 3
     Maciej Zaremba (Dagens Nyheter, Stockholm)

11:15 – 11:30 Kaffeepause

11:30 – 13:00 Zusammenarbeit und Verständigung
Moderation: Albrecht Lempp (SdpZ)

Cornelia Pieper (Staatsministerin und Koordinatorin für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit)
Wie tragfähig ist die deutsch-polnische Verständigung wirklich? Das neue „zwischen uns”.

Janusz Reiter (Zentrum für Internationale Beziehungen, Warschau)
Deutsch-polnische Interessengemeinschaft: auf der Suche nach einem neuen Narrativ.

Joanna Mytkowska (Museum für Moderne Kunst, Warschau)
Dialog durch Kunst. Zur Rolle der Kunst in der öffentlichen Debatte.

     Kommentar 1
     Étienne François (Freie Universität zu Berlin – Frankreich Zentrum)
     Kommentar 2
     Fikret Adanir (Sabanci Universitesi – Fakultät für Kunst- und Sozialwissenschaften, Istanbul)

13:00 – 14:00 Lunch

14:00 – 15:00 Runder Tisch. Diskussion.
Moderation: Robert Traba (Zentrum für Historische Forschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin)

15:00 – 15:30 Ausblick
Edmund Wnuk-Lipiński (SdpZ) und Kai-Olaf Lang (Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin) 

U. A. w. g. bis 15.09.2011
fwpn20konf@fwpn.org.pl

Ort: Centrum Zielna, ul. Zielna 37, Warschau | Termin: 12. Oktober 2011

Files to download