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Jahresberichte

Jahresbericht 2008

Die Geschichte der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit (SdpZ) reicht weit über ihre Gründung im Jahre 1991 hinweg in die Vergangenheit. Ihr Gründungskapital nämlich bildeten die Raten, mit denen Polen einen Kredit tilgte, der dem Land Mitte der siebziger Jahre eingeräumt worden war: 1975 hatten sich die Großen der damaligen Welt in Helsinki zu KSZE-Verhandlungen getroffen. Im sog. „dritten Korb“ wurden damals die Grundlagen dafür festgelegt, dass Ideen, Meinungen und Menschen in Europa sich auch über die große Ost- West-Trennlinie und innerhalb der Länder Europas freier würden bewegen können. Der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt versprach seinem polnischen Kollegen Edward Gierek den Wandel Polens zu einer moderneren Gesellschaft mit einem Kredit von einer Milliarde DM zu befördern. Zeitgleich und parallel dazu wurde unter großen Mühen und mit großem Einsatz einiger im deutschpolnischen Dialog damals engagierter Menschen 1976 die erste Städtepartnerschaft zwischen Deutschland West und Volkspolen geschlossen, zwischen den Städten Bremen und Danzig. Heute verzeichnen die Städtetage beider Länder viele hundert Partnerschaften zwischen Gebietskörperschaften und im Rahmen jeder Partnerschaft eine bunte Palette zivilgesellschaftlicher, öffentlicher oder privater Initiativen die z.T. schon wieder weit über den bilateralen Kontext hinausgehen: Europa ist größer und bunter geworden und die bilaterale Dimension der Beziehungen zwischen Polen und Deutschland ist nur mehr eine von vielen in diesem Miteinander. Vergleichbar dynamisch erging es dem „Jumbo-Kredit“ von 1975. Was als Hilfsaktion auf Regierungsebene angeschoben wurde, endete, als es an die Rückzahlung ging, in einer konzertierten Aktion deutsch-polnischer Akteure auf ganz unterschiedlichen Ebenen, die alle nur das eine wollten: den Dialog zwischen beiden Ländern fördern und das Wirklichkeit werden zulassen, was in der Gemeinsamen Erklärung von 1989 als Zielvorgabe formuliert war: Das gemeinsame Streben nach guten nachbarschaftlichen Beziehungen. Die Modalitäten zur Rückzahlung des „Jumbo-Kredits“ handelten die Regierungen von Tadeusz Mazowiecki und Helmut Kohl aus. Mit der finanziellen Abwicklung dieser Transaktion wurde die eigens dafür gegründete Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit betraut. Viel hat sich seitdem geändert: Der Kredit wurde abbezahlt und aus den Zinserträgen ein Kapitalstock gebildet, der es der SdpZ ermöglicht, deutsch-polnische Projekte heutzutage mit jährlich ca. 4 Mio. Euro zu unterstützen. Daran hat auch die Krise, die in der zweiten Jahreshälfte 2008 über die global veranlagten Bürger dieser Welt hereinbrach, nichts geändert. Für die Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen Deutschland und Polen stehen aus Sicht der SdpZ die Ampeln auf grün. Die steigende Zahl der Veranstaltungen führt zwangsläufig zu einer immer größeren Nachfrage nach Finanzmitteln, gerade auch und insbesondere jetzt zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Gleichzeitig könnte man annehmen, dass mit den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise, die in der zweiten Hälfte des Berichtsjahrs zu Kürzungen in den Budgets vieler Einrichtungen geführt hat, die SdpZ 2008 in besonderer Weise gefordert gewesen wäre. Auf den ersten Blick mag die Feststellung deshalb überraschen, dass Angebot und Nachfrage über die Jahre letztlich relativ stabil geblieben sind. Die Mittel, über die die SdpZ verfügt, sind ausweislich der hier vorgestellten Zahlen (siehe S. 5 und 6) relativ konstant, während auch die Zahl der Anträge und der Projektförderung im Einzelnen keinen extremen Schwankungen unterliegt.

Die Konstanz der verfügbaren Finanzmittel ist das Ergebnis einer besonnenen Anlagepolitik der SdpZ, die Konstanz der Nachfrage ergibt sich aus unserer Sicht aus drei Faktoren: Zum Teil wird der Mehrbedarf nach 2004 durch ein Mehr an verfügbaren Geldern aus EU-Fonds ausgeglichen. Polen hat bis 2013 Anspruch auf umfangreiche EU-Zahlungen, die z.T. auch in Bereiche fließen, für die zuvor auch Mittel der SdpZ eingesetzt wurden. Zum andern reagiert die SdpZ auf die steigende Nachfrage, indem sie ihre förderungswürdigen Schwerpunkte eingrenzt und sich damit deutlicher von Stiftungen abgrenzt, die mit vergleichbaren oder auch gänzlich anderen Aufgaben betraut ebenfalls Teil der deutsch-polnischen Infrastruktur sind. Nicht zuletzt und drittens ist die Ausstattung dieser Infrastruktur über die Jahre reicher geworden: Anfangs gab es nur für den Jugendaustausch eine von beiden Regierungen eigens geschaffene Einrichtung – das Deutsch-Polnische Jugendwerk (www.dpjw.org). Heute gibt es darüber hinaus die noch jungen Fördereinrichtungen „Deutsch-Polnische Wissenschaftsstiftung“ mit Sitz in Frankfurt/Oder (www.dpws.de) und die „Deutsch-Polnische Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz (DPS)“ (www.deutsch-polnische-stiftung.de) sowie die in jüngster Zeit zwar umstrukturierte, aber schon etwas länger bestehende „Stiftung deutsch-polnische Aussöhnung“ (www.fpnp.pl). Alle diese Einrichtungen leisten wichtige Beiträge, wenn es darum geht, angesichts einer steigenden Nachfrage die Angebotsseite zu verbessern. Dabei wäre das Bild erst vollständig, wenn auch all jene Stiftungen genannt würden, die nicht ausschließlich auf deutschpolnische Themen abgestellt sind, solche aber im Rahmen ihrer Tätigkeit ebenfalls berücksichtigen. Für die SdpZ wurden die Aufgaben formuliert, als die Infrastruktur der deutsch-polnischen Beziehungen bescheidener war. Entsprechend weit ist der Handlungsspielraum, den das Statut der SdpZ gibt. Aus dieser breiten Themenfächerung hat der Vorstand vier Schwerpunkte gebündelt. Sie genießen bei der Projektförderung Priorität:

  • Erfahrungsaustausch, z.B. zwischen Berufsgruppen, auch Jugendgruppen soweit die Projekte nicht in die Zuständigkeit des Deutsch-Polnischen Jugendwerks fallen, Städte- und Gemeindepartnerschaften, Kooperationen von Universitäten, Vereinen und Verbänden.
  • Wissenschaftliche, Bildung und Förderung des Sprachunterrichts der polnischen und deutschen Sprache als Fremdsprache sowie der Polonistik und Germanistik im jeweiligen Nachbarland – wissenschaftliche Arbeiten, wenn sie polnische, deutsche bzw. deutsch-polnische Themen zum Inhalt haben, z.B. als Forschungsvorhaben, Konferenzen, Seminare oder Veröffentlichungen.
  • Medienvorhaben, die geeignet sind, den Wissenschaftsstand und die Berichterstattung über das jeweils andere Land und die deutsch-polnischen Beziehungen zu verbessern.
  • Literarische und künstlerische Aktivitäten, die für den deutsch-polnischen Dialog als wichtig erachtet werden.

Hierzu gehören Projekte aus den Bereichen Musik, Theater, Film, Literatur, bildende Künste und Architektur. An der inhaltlichen Ausgestaltung und Füllung dieser Kernbereiche beteiligt sich die SdpZ verstärkt auch selbst. Die Deutsch-Polnischen Medientage und der Journalistenpreis sind hier zu nennen, oder der Preis für kommunale Partnerschaften, Stipendienprogramme und andere Maßnahmen, die zu einer Ausweitung und Verbesserung des interkulturellen Dialogs beitragen. Die Betonung des partnerschaftlichen Handelns ist der
SdpZ wichtig. Sie führt allerdings bei der statistischen Darstellung der Tätigkeitsfelder zu einer gewissen Verzerrung: Eine der Voraussetzungen einer Projektförderung durch die SdpZ ist die Umsetzung eines Vorhabens in Kooperation mit einem Partner aus dem anderen Land. Damit steht hinter jeder Förderung einer Ausstellung, eines Kolloquiums oder eines Konzerts immer auch unser Wunsch, im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung möge es zu einer echten Zusammenarbeit der beteiligten Personen kommen. Gleichzeitig aber gibt es Veranstaltungen und Programme, bei denen die institutionelle Partnerschaft als strukturelle Aufgabe im Vordergrund steht, während die inhaltliche Ausgestaltung erst an zweiter Stelle kommt. Im Ergebnis scheinen die beiden formalen Kategorien „Medien“ und „Partnerschaften“ prozentual unterrepräsentiert, die inhaltlichen Kategorien „Bildung und Wissenschaft“ bzw. „Kultur und Literatur“ dagegen überrepräsentiert. Hier gilt es zu berücksichtigen, dass künstlerische und literarische Programme, wissenschaftliche Tagungen oder Studienreisen häufig im Rahmen von institutionellen Partnerschaften angeboten und durchgeführt werden bzw. Inhalte eines Medienprojekts sind, der Zuordnung zu einer inhaltlichen oder einer formalen Kategorie damit zwangsläufig eine gewisse Zufälligkeit innewohnt. Die SdpZ steht nicht außerhalb der Veränderungen, deren Zeugen wir sind. Veränderung findet allenthalben statt, meist lassen sich erst sehr viel später die Wirkungen bewerten. Teil des Selbstverständnisses der SdpZ ist die Bilateralität ihres Handelns. Historisch unterlag die SdpZ hier immer auch Einschränkungen. Sie entfaltete deshalb ihre größte Aktivität in Polen und blieb in Deutschland eher im Hintergrund. Die Einschränkungen der Vergangenheit gelten nicht mehr seit Polen und Deutschland Mitglieder der EU sind, beide das Schengener Abkommen unterzeichnet haben und der Złoty frei konvertierbar ist. Im Berichtsjahr hat der Vorstand der SdpZ deshalb den Beschluss gefasst, in Berlin eine Repräsentanz einzurichten. Er greift damit einen Vorschlag der Regierung in Berlin auf und folgt einer Empfehlung seines deutsch-polnisch besetzten Rats. Was dieser Beschluss für die Arbeit der SdpZ und alle, die Stiftungsmittel für die Umsetzung ihrer Projekte einsetzen, konkret bedeutet, wird die Zukunft zeigen und wird damit Gegenstand der Berichterstattung im nächsten Jahr sein.

Der Vorstand der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, Warschau, im Frühjahr 2009